EUROPÄISCHES SEGEL-INFORMATIONSSYSTEM

Hubschrauber-Rettung im Notfall

Tips für den Notfall
von Otto Slawizek, Wien


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Seenot-Rettungsübung: Alles Gute kommt von oben
Mit einer groß angelegten Seenot-Rettungsübung, an der ein Hubschrauber des Bundesheeres beteiligt war, setzte die Abteilung Die Seefahrer des Österreichischen Segel-Verbandes ein kräftiges Signal.


Eine Boeing Vertol Ch-113 der Kanadischen Coastguard im Einsatz

Seefahrt ist nicht nur Sport und Herausforderung, sondern auch mit Risken verbunden. Glücklicherweise geraten nur verhältnismäßig wenige Yachten in Seenot, und ganz selten muß eine Yacht sogar aufgegeben werden, doch dann ist guter Rat teuer. Schon öfter kann es passieren, daß nach Verletzungen an Bord ein medizinischer Notfall vorliegt, so wie das vor zwei Jahren beim 1.000-Meilen-Rennen im Mittelmeer vorgekommen ist. Das richtige Verhalten in solchen Situationen kann (über)lebenswichtig sein. In jedem B-Schein-Kurs werden zwar die Verhaltensregeln gelehrt, im Grunde beschränken sie sich jedoch auf das (theoretische) Absetzen einer MAYDAY-Meldung, das (theoretische) Aussetzen und Aktivieren einer Rettungsinsel und wertvolle Tips, beispielsweise Logbuch, Schiffspapiere, persönliche Dokumente und möglichst viel Wasser und Lebensmittel mitzunehmen, um dann auf die Rettung zu warten ?

Die im Rahmen des ÖSV kürzlich gegründete Abteilung Die Seefahrer (ADS), die sich ähnlich wie die Kreuzerabteilung des DSV als übergeordnete Servicestelle für die Anliegen aller Fahrtensegler sieht, erkannte zum Thema Sicherheit Handlungsbedarf und setzte mit einer groß angelegten Seenot-Rettungsübung ein markantes Zeichen. Am 20. September 1997 erfolgte im Wellenbad des Wiener Gänsehäufels unter Mitwirkung von Bundesheer und Wiener Wasserrettung eine eindrucksvolle Show, bei der sich sowohl Zuschauer als auch Aktivisten zum ersten Mal mit einer Hubschrauberbergung am Wasser konfrontiert sahen. Das von Ing. Peter Peßl und Ing. Peter Bareis geleitete Unternehmen sah zwei Abbergungen aus einer Rettungsinsel und die Bergung eines Verletzten aus einem Schlauchboot vor.

Ermöglicht wurde die Demonstration vor allem durch die Mitarbeit des Österreichischen Bundesheeres. Die ADS-Mannen hatten ihre guten Kontakte zu Oberst Oppenauer von der Flugleitzentrale Langenlebarn genutzt. Aus einer Idee entwickelte sich in der Folge eine für beide Seiten befruchtende Zusammenarbeit, denn eine Bergung aus dem Wasser war auch für das Bundesheer neu.

Die Wiener Wasserrettung und die Bäderverwaltung des Magistrats Wien unterstützen das Projekt, und die Firmen Paju-Nautik (Kadematic), Allroundmarin, Mitterhauser/Steininger und Rege (Autoflug) stellten die Ausrüstung, nämlich Rettungsinseln, Schlauchboote (Allroundmarin), Rettungswesten und Signalmittel zur Verfügung.

Hinterher ein Hubschrauber, der tat sich halb so schwer ?
Zu der unter anderem auch in der Yachtrevue groß angekündigten Veranstaltung fanden sich bei herrlichem Herbstwetter rund 700 Zuschauer ein.

Die durch zahlreiche alpine Einsätze höchst erfahrene Hubschrauberbesatzung unter Ausbildungsleiter und Flugretter Major Kaiblinger operierte das erste Mal über Wasser und konnte wertvolle Erkenntnisse für zukünftige Wasserrettungseinsätze gewinnen - denkbar bei Hochwasserkatastrophen oder ganz konkret beim Unfall der Dumbier auf der Donau. Damals wurde ein Mann statt vom Hubschrauber unter Lebensgefahr von Land aus geborgen. Der Übungsablauf erfolgte exakt nach Plan, pannenfrei und mit beachtlicher Präzision. Nach einer ausführlichen Erklärung durch Peter Peßl zeigte schon der erste Durchgang bei glattem Wasser, welche Mühe ein im Wasser treibender Schiffbrüchiger hat, eine Rettungsinsel zu erklimmen. Die 4-Personen-Rettungsinsel (Autoflug) war übrigens von Tauen in der Mitte des Beckens fixiert worden.

Die Rettungsaktion selbst wurde schließlich stilecht mit einer roten Fallschirmrakete eingeleitet. Mit ohrenbetäubendem Geknattere und für viele unerwartet heftigem Rotorabwind (Downwash) näherte sich der eindrucksvolle Bell 212 und blieb etwa 15 Meter über der Rettungsinsel stehen, während das Wasser wild zur Seite spritzte. Dann wurde der Flugretter am Stahlseil der Winde zur Insel abgelassen, landete dort natürlich punktgenau und legte dem ersten der beiden Abzubergenden eine Art Rettungshose an. Im Paket entschwanden Retter und Geretteter bald in luftige Höhe und in den Bauch des Helikopters. Um die Rettungsinsel und den darin verbliebenen Schiffbrüchigen nicht weiter dem heftigen Abwind auszusetzen, drehte der Pilot eine Runde, während das nächste Bergemanöver vorbereitet wurde.


Die 103. Search And Rescue Unit, Canada im Bergungseinsatz:
Doppelwinschung mit Flugretter

Dann wiederholte sich das Schauspiel. Übung zwei zeigte das gleiche Szenario, allerdings mit würzigem Wellengang und einer 6-Personen-Rettungsinsel mit dem neuen Easy-Boarding-System von Kadematic. Wie eines der beiden Opfer, der kräftige Andreas Denk, bestätigte, gelang das An-Bord-Gehen trotz des beachtlichen Seegangs jetzt wesentlich einfacher. Weiters wurde bei diesem Versuch unmittelbar vor der Bergung das Dach der Insel demontiert, was die Arbeit des Flugretters vereinfachte und die Insel etwas stabilisierte, ein Faktor, der in Seegang und Sturm nicht zu unterschätzen ist. Abgesehen von dem durch den Downwash jetzt noch wilder von den Wellenkämmen gefetzten Wasser, verlief die Bergung der beiden Schiffbrüchigen wiederum routiniert und ohne Komplikationen.

Bei der dritten Übung wurde die Rettung eines verletzten Seglers simuliert. Wie die Erfahrung lehrt, sollten auch Schwerverletzte in ein Schlauchboot verfrachtet werden, von wo sie - in einiger Distanz zur Yacht - wesentlich gefahrloser geborgen werden können. Bei dieser Demonstration brachte der Flugretter eine speziell konstruierte Tragbahre (Bergetrage) mit, in die das Opfer gebettet und sicher verschnürt wurde, ehe es - gemeinsam mit dem Retter - in schwindelerregender Rotation (offensichtlich durch den Drall des Stahlseils bedingt) aufwärts ging.

Was man lernen kann
Nach Abschluß der Übung waren nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Aktiven durchwegs positiv gestimmt und um etliche wichtige Erkenntnisse reicher. Nach eingehender Befragung von Piloten, Flugrettern, Geretteten und Zuschauern haben sich folgende wichtige Punkte herauskristallisiert:
1. Um eine Rettungsinsel zu aktivieren, muß man beherzt und kräftig an der Reißleine ziehen - auf zaghaftes Zupfen reagiert sie nicht! In Panik könnte deshalb leicht der Eindruck entstehen, sie sei defekt und funktioniere nicht!
2. Rettungsinseln sind weit schwerer zu erklimmen, als man denkt! Negativ wirken sich die Faktoren Seegang, Sturm, Unterkühlung, Entkräftung und klobige Kleidung aus.
3. Die Kadematic-Rettungsinsel überzeugte mit ihrem Easy-Boarding-System.
4. Nach Auskunft des Schiffssachverständigen Dipl. Ing. Richard Kuchar werden die zu kippeligen 4-Personen-Rettungsinseln auf österreichischen Schiffen nicht mehr zugelassen (Zulassung zur Seeschiffahrt/Seebrief).
5. Vor der Bergung durch einen Hubschrauber empfiehlt es sich, das Dach der Rettungsinsel zu demontieren. Durch die geringere Windangriffsfläche liegt sie dann ruhiger, außerdem ist die Bergung einfacher.
6. Abbergungen direkt von Bord einer Segelyacht sind äußerst problematisch, da durch das Rigg Gefahr für den Helikopter und bei der früher vielfach empfohlenen Demontage von Achter- und Backstagen auch für das Rigg besteht. Weit günstiger gestaltet sich die Bergung aus nachgeschleppten Beibooten oder Rettungsinseln.
7. Das Bergen verletzter Personen per Bergetrage (Stretcher) sollte auf jeden Fall aus einem Schlauchboot erfolgen (die weit ausladende Fracht kann besonders leicht irgendwo hängenbleiben).
8. Auf keinen Fall darf das Bergeseil an Bord festgemacht werden. Dies ist für den Hubschrauber sehr gefährlich, und die Crew müßte in letzter Konsequenz das Seil absprengen, wodurch alle Rettungsmöglichkeiten vergeben wären. Dies kann allerdings auch passieren, wenn sich das Seil durch sonst einen unglücklichen Umstand irgendwo verhängt.
9. Der Rotorabwind (Downwash) eines auf Position schwebenden Hubschraubers ist wesentlich stärker, als der Laie annimmt und wird unterschätzt. Die in Lehrbüchern kolportierte Angabe zwischen 8 und 10 Beaufort ist jedenfalls keinesfalls zu hoch gegriffen!
l0. Der Pilot fliegt die Unglücksstelle immer zuerst an, um Lage und Position zu erkunden und dreht dann wieder ab. Nach einer geglückten Personenbergung dreht der Hubschrauber ebenfalls eine Runde: Es besteht also kein Grund zur Panik, wenn der Retter scheinbar weiterfliegt!
11. Bei der Übung der ADS waren die Rettungsinseln bzw. das Schlauchboot mit Leinen in Beckenmitte fixiert worden. Auf See ist das unmöglich und das Manöver wegen des Rotorabwinds weit schwieriger. Wie sich am Beispiel der 4-Mann-Insel mit dem aufgesetzten Dach zeigte, würde die Rettungsinsel nach dem Abbergen des letzten Crewmitglieds sofort davonfliegen. Bei der Übung hob die Insel buchstäblich ab, bis sich die Seile spannten!
l2. Auf See werden im Wasser treibende Schiffbrüchige oder solche Personen, die selbst keine Hilfestellung leisten können, grundsätzlich vom Flugretter geborgen (sogenannte Doppelwinschung), während die Bergung intakter Personen meist solo - entweder mittels Rettungsschlinge oder Bergeanker - erfolgt. Der praktische Umgang mit diesen Rettungsmitteln ist in Österreich derzeit leider nirgends erlernbar; diesbezügliches Wissen kann man sich nur aus der Literatur aneignen!
l3. Eine Bergung aus der Luft erfolgt niemals mit der Ausrüstung des Verunglückten (z. B. durch Einpicken des Bergeseils in den eigenen Lifebelt).
l4. Verletzte werden grundsätzlich vom Flugretter geholt und mittels Bergetrage geborgen. l5. Der Pilot sieht nichts von dem, was unter ihm passiert. Er muß vom Flugbegleiter eingewiesen werden und wird eventuell durch Spiegel unterstützt (besonders im Gebirge). Bergungen im Gebirge schätzen die Piloten übrigens als weitaus kniffeliger ein als jene am Meer.
l6. Für die Flugretter stellt sich in der Praxis oft das große Problem der Panik. Im Gegensatz zur Übung reagieren Verunglückte bei ihrer Bergung oft völlig unberechenbar.
l7. Die alpinerprobte Bundesheercrew erlebte eine Premiere: Es war die erste Bergung am Wasser, das Manöver klappte hervorragend.
l8. Peßl, Bareis und die ADS möchten angesichts des Übungserfolges jetzt noch mehr: Versprochen wird ein Dacapo, allerdings noch realistischer, auf offener Wasserfläche und bei Sturm. Wie die Geschichte genau ablaufen soll, ist zwar noch nicht ganz ausgegoren, eines ist jedoch klar: Schau?n Sie sich das an!
Gottfried Paurnfeind



Rettung von Besteigen der Insel bis zum Abbergen