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EUROPÄISCHES SEGEL-INFORMATIONSSYSTEM

Törnbericht Allerheiligentörn 2000

von Martin Brodt


Ein "dekadenter" Segeltörn
Segeltörn auf dem Hochseekat ESYS vom 28. Oktober - 5. November 2000



Mehr zufällig hatte Dieter, mein Studien- und Arbeitskollege, über einen Bekannten die Info zur Homepage der ESYS bekommen. Wir waren beim Anblick der ESYS, ein Hochsee-Katamaran, sofort entschlossen - wir mussten auf dieses Schiff. Gesagt getan - es wurde bei Peter, Miteigner der ESYS und Skipper, und die Flüge im Reisebüro für diesen Törn gebucht.

Freitag, 27.Oktober: Stuttgart - Mailand - Athen

Es war soweit. Mit Alitalia ging es am frühen Morgen von Stuttgart über Mailand nach Athen. In Athen wollten wir uns im Hotel Poseidonos, das uns als günstig und in der Nähe des Flughafens liegend empfohlen wurde, mit den anderen Crew-Mitgliedern (bis auf Marcus, er reiste über Rhodos mit der Fähre an) und unserem Skipper Peter treffen und von dort aus unsere Reise gemeinsam auf die Insel Leros fortsetzen. Am frühen Nachmittag erreichten Dieter und ich nach kurzer Taxifahrt unser Hotel, das nahe dem Strand an einer viel befahrenen Straße lag. Durch einen überzeugenden Lärmpegel bemerkten wir auch, dass sich das Hotel direkt in der Start- und Landezone des Athener Flughafen befand. Einchecken im Hotel, von den anderen Crew-Mitgliedern war noch keiner im Hotel, da diese mit einem Spätflug von München anreisten.

Wir bezogen das Zimmer, das, wie wir zu unserer ersten Törnüberraschung feststellen mussten, mit roten Tapeten und mehren Bildern über eine nicht ganz normale Ausstattung verfügte. Nach einem Ausflug am Strand zur Marina und in ein Strand-Cafe wurde am Abend der Zweck des Hotels schnell erkannt. Wir bemerkten von der Hotelbar aus ein reges Kommen und Gehen junger griechischer Liebespaare, die die Zimmer minuten- oder stundenweise für den Austausch von Zärtlichkeiten buchten. Um Mitternacht, noch vor dem Eintreffen der restlichen Crew, krochen Dieter und ich in unsere nicht ganz ruhigen Kojen.

Samstag, 28. Oktober: Athen - Leros
(griechischer Nationalfeiertag)


Früh morgens wurde aufgestanden und es kam zum Treffen mit den spät in der Nacht Angereisten. Peter, unser Skipper, Gitti, Rog, Albi, Dieter und ich - einem schnellen Kennenlernen folgten sogleich die ersten lustigen Bemerkungen über unsere Bleibe. Jede(r) schien die Nacht einigermaßen gut verbracht zu haben und so ging es auch gleich um 8.30 Uhr mit zwei Taxis in Richtung Flughafen. Gegen10 Uhr sollte der Flieger der Olympic Airways, eine DO328, uns doch nach Leros bringen. Jedoch kam es zur zweiten Törnüberraschung: Aus einem anfänglichhem "Delay - caused by weather" wurde gegen 11 Uhr ein jähes "Flight canceled". Nach kurzem Abwarten, aber niemand kam um uns zu informieren wie es weiter ginge, ging es nichts wie hin zum Schalter von Olympic. Hinter dem Schalter saß ein doch sehr "Offizieller", dessen einziger brauchbarer Service die Bestätigung war, dass der Flug gestrichen sei. Begründung war, es gab anscheinend schlechtes Wetter, das, wie es sich später herausstellte, doch keines war.

Die Lösung unseres nun bestehenden Transportproblems, das die Olympic nicht mehr lösen konnte oder wollte (es gab nur diesen einen Flug nach Leros), lautete ab sofort die Fähre im Hafen von Piräus um 14 Uhr nach Leros zu nehmen. Auf Umwegen, um einer Parade in der Innenstadt auszuweichen, fuhren wir mit Taxis zum Hafen.
Und so erfolgte bei gemütlichem Zusammensein die überfahrt auf die Insel Leros an Bord einer Fähre. Der fast 11-ständige Aufenthalt an Bord verlief ruhig, ohne nennenswerten Zwischenfall bzw. ohne eine Spur von heftigem Wind oder Wellengang.

Sonntag, 29. Oktober: Lakki/Leros - Ormos Panteli/Leros

Um 2 Uhr in der Früh waren wir dann endlich auf Leros angekommen. Auf der ESYS erwartete uns bereits Marcus. Die Kabinen wurden bezogen und das vorhandene Raumangebot der ESYS bestaunt: Komfortable Kopffreiheiten, Ablagen, Schränke und Bad/WC-Räume.

Am nächsten Morgen wurde nach dem Frühstück die Mannschaft im Segeln, Sicherheit und Benutzung der Einrichtungen an Bord unterwiesen. Die Lifebelts wurden angeprobt und somit war die Crew der ESYS bis auf die nicht eingekauften Lebensmittel klar zum Ablegen. Samstag war es uns nicht möglich einzukaufen und heute am Sonntag waren die Märkte geschlossen. Peter entschied sich daher in Richtung Norden zu segeln, Leros zu umsegeln, um am Abend in Panteli auf der anderen Seite der Insel im Hafen festzumachen. So hatten wir die Möglichkeit am nächsten Tag auf Leros in ausreichender Menge und Angebot einzukaufen.

Um 12.40 Uhr gab unser Skipper das Kommando zum Ablegen. Aus der Bucht ausgelaufen, setzte die in ihrer Zusammensetzung einmalige Crew zum ersten Mal das Großsegel und bei 4-5 Bft. kreuzte die ESYS in Richtung Norden. Die nördliche Inselgruppe bei Pharios wurde durchfahren, dann mit Vorwindkurs in Richtung Süden der Hafen von Panteli angesteuert. Im Hafen angekommen, zeigte sich zum ersten Mal die Manövrierkunst von Peter. Auf engstem Raum brachte er die ESYS längsseits zum Kai in Anlegeposition. Die Leinen wurden geworfen und der Katamaran lag für einen ersten "Anlegeschluck" fest vertäut.

Wir besprachen einige organisatorische Dinge, Gitti übernahm die Bordkasse, in die jede(r ) kräftig für den Einkauf am nächsten Tag einzahlte. Zum Abendessen gegen 19.00 Uhr begab sich die Crew in eine Taverne am Hafen, bei vorzüglichen Essen und Wein. Hierbei wurde die Crew von Peter zur Vermeidung von unangenehmen überraschungen auf eventuelle Fragen fremder Personen - wie zum Beispiel: "Von welcher Insel oder Ort kommen sie ?" - mit der Patentantwort "Ask the Captain !!" vorbereitet.

Montag, 30. Oktober: Ormos Panteli/Leros - Yalikavak/Türkei

Nach dem Frühstück um 9 Uhr war Landgang und Einkaufen angesagt. Gitti und Peter verschwanden mit dem Taxi zum nächsten Supermarkt, Albin, Rog und Dieter blieben für einige Ausbesserungsarbeiten an Bord, Marcus und ich beschlossen für gute Fotos einen kurzen Marsch auf die umliegenden Anhöhen zu machen. Zwei Stunden später fuhren in einem Minibus Gitti, Peter und der Supermarktbesitzer vor. Von der Crew wurde eine Kette gebildet und die Köstlichkeiten für den späteren Verzehr aus dem Minibus (es schien der halbe Supermarkt in diesem zu stecken, es wollte nicht enden) an Bord der ESYS gebracht. Der Proviant wurde in den Fächern gebunkert und um 12.25 Uhr hieß es wieder "Leinen los!".

Bordgrill der ESYSAuf Halbwindkurs bei 3 bis 4 Bft. und ca. 7,5 kn ging es Richtung Osten zur Ankerbucht in Yalikavak/Türkei. Gemütlich war die überfahrt, wer wollte hielt die Ruderwache, konnte mit Lesen oder mit den Blick in die Ferne die angenehme Größe der ESYS genießen. Für das Abendessen wurden die gekauften Steaks eingelegt, wir wollten an Bord der ESYS grillen. Um 16.00 Uhr fiel der Anker in der Bucht. Der Grill wurde an die Reling montiert und angeheizt. Einige hartgesottenen ließen es sich nicht nehmen im ca. 20 °C warmen Wasser der Bucht zu baden, ein kurzes und prickelndes Vergnügen. Gegen 19.00 Uhr bruzelten dann die Steak auf dem Grill, im Salon der Tisch gedeckt und mit einem gesunden Appetit sich über die Steaks und die anderen Leckereien hergemacht, abgeräumt und gespült. Den Rest des Abends saßen wir gemütlich bei exklusiven Ausblick auf die erleuchtete türkische Küstenortschaft und einem Glas Wein zusammen.

Dienstag, 31. Oktober: Yalikavak/Türkei - Pharmakonisi - Agathonisi

Wir lichteten den Anker in der Bucht von Yalikavak, um am Abend auf der Insel Agathonisi den Wirt Giorgios, seine deutsche Frau Sabine und Söhnchen Adonis , in deren Taverne zu besuchen. Wind war nicht ausreichend vorhanden, so fuhren wir unter Motor. Unterwegs wollte Peter auf der Insel Pharmakonisi, ein griechischer Beobachtungsstützpunkt vor der türkischen küste, versuchen anzulegen. Resultat war, dass wir von Soldaten höflich darum gebeten wurden weiterzufahren. Es schien, wie Peter bemerkte, sich gegenüber den Jahren zuvor nichts geändert zu haben.

14.15 Uhr - eine weitere Törnüberraschung folgte. Gitti hatte zwischenzeitlich Häppchen mit Lachs, Kaviar, Sardellen und Sekt (!!) vorbereitet. Von dieser starken Aktion und den Köstlichkeiten ließ sich unser Skipper zu einer Logbucheintragung hinreißen.

An dieser Stelle ist zu bemerken, dass Gitti es sich nicht nehmen ließ, während des ganzen Törns die gesamte Crew mit derartigen kulinarischen Leckerbissen (die auch immer etwas für das Auge waren) zu verwöhnen - vielen Dank Gitti !!

Gegen 16.30 Uhr waren wir am Ziel - Agathonisi eine kleine Insel mit kleinem netten Dorf. Am Abend war der geplante Besuch bei Giorgios angesagt, den Peter bereits seit einigen Jahren kannte. Das Essen in dessen Taverne war einfach, aber trotz der geringen Auswahl köstlich. Auch ließ Giorgios sich nicht nehmen, uns einen Ouzo zu spendieren.

Mittwoch, 1. November: Agathonisi - Pythagorion/Samos

Aufstehen und Frühstück bei wunderbaren Sonnenschein, jedoch sollte der Tag ebenfalls keinen brauchbaren Segelwind mit sich bringen. So ging es an diesem ersten Novembertag unter Motor in Richtung Samos. Wieder ein Tag um die Seele baumeln zu lassen - ob vorne im Trampolin liegend, am Ruder oder einfach nur etwas lesen - bei ruhiger See und leichten Wind genoß es einfach jede(r) an Bord der ESYS zu sein.

In Pythagorion angekommen, fand wir einen für normale Verhältnisse leeren Hafen vor. Es gab genügend Platz, denn wo sich sonst die Boote in der Hochsaison rückwärts zum Kai nur so drängelten, konnten wir hier längsseits anlegen. Da es noch früh am Nachmittag war, beschlossen einige sich mit Mopeds die Umgebung anzusehen. Enttäuscht kamen diese Zurück, die Vermieter hatten bereits Winterpause und ihre Mopeds eingemottet. So war auf alle Fälle noch einzukaufen, denn am heutigen Abend wollte Peter uns eine Fischsuppe kochen.

Das Rezept schien ganz einfach zu sein: Man nahm einen Skipper, einige Fische, Kartoffeln, Zwiebel, Knoblauch, Petersilie, Salz, Pfeffer und Weißwein. Besorgte dem Skipper ein scharfes Messer und schaute ihm beim Zerlegen der Fische zu. Philosophierte auch mitleidsvoll über die armen Fische und angesichts der schweißtreibenden Arbeit des Skippers. Für einen Teil der Crew hieß es Kartoffeln schälen und kochen, die Zwiebeln und das Knoblauch schneiden. Der Skipper kochte die Fischreste in Wasser zu einem Sud, dünstete Zwiebeln, Knoblauch und Petersilie mit etwas Weißwein, gab den gefilterten Fischsud und die gekochten Kartoffeln dazu, überdeckte das ganze mit ein bißchen Weißwein, ließ es leicht köchelnd ziehen und gab zum Schluss die Fischstückchen zum Garen hinzu. Abgeschmeckt mit Salz und Pfeffer stand dann die Fischsuppe auf dem gedeckten Tisch. Angestoßen wurde mit einem Schluck Weißwein auf die "wichtigste Zutat", den Skipper, und alle machten sich über die Mahlzeit her. So ließ man nach dem Mahl und Aufräumen der Küche diesen Tag an Bord ausklingen.

Donnerstag, 2. November: Pythagorion/Samos - Porto Augusta/Arki

An diesem Tag hatte Albin Geburtstag. Zum Frühstück gab es ein Ständchen und ein Geschenk. Am Vormittag reinigte ein Teil der Mannschaft das Schiff, der andere wollte nochmals die Umgebung besichtigen. Nach einer kurzen Shopping-Tour legte die ESYS um 12.30 Uhr mit Kurs auf die Insel Arki ab. Wind war auch an diesem Tag eine Fehlanzeige, die beiden Dieselmotoren der ESYS hatten somit wieder einige Betriebsstunden vor sich. Unterwegs wurden vom Rudergänger zweimal Delphine gesichtet, die jedoch immer abdrehten. Am Abend wurde auf Arki rückwärts zum Kai angelegt. Strom erhielten wir von der hübschen Wirtin der Taverne am Kai. Das Leben der kleinen Insel schien sich am Hafen abzuspielen, die beiden Tavernen waren neben den angekommenen Besatzungsmitglieder auch von den Einheimischen gut besucht. Zum Abendessen begab sich die Crew der ESYS an Land. Zuerst war es still am Tisch, so war doch jeder in Gedanken, denn am nächsten Tag wollten wir wieder Zurück in Lakki auf Leros sein. Doch mit dem Essen kehrte die Stimmung wieder Zurück. Früh, zur Enttäuschung unserer hübschen Wirtin, kehrten wir an Bord Zurück und beendete den Abend dort bei gemütlichen Zusammensein.

Freitag, 3. November: Porto Augusta/Arki - Lipso - Lakki/Leros

Um 11.40 Uhr startete die ESYS wieder in See und fuhr unter Motor aus der Bucht mit Kurs auf Leros. Unterwegs legten wir auf der Insel Lipso eine Kaffepause ein. Gegen 14.40 Uhr war dann endlich wieder genügend Wind vorhanden und das Großsegel wurde gesetzt. Wir kreuzten unserem Ziel, der Bucht von Lakki, entgegen. 17.30 Uhr lag die ESYS an den Moorringen fest vertäut. Jeder hatte bis zum Abend etwas zu tun, denn heute wollten Gitti, die am nächsten Tag Geburtstag hatte, und Albin uns zum Geburtstagessen einladen. Mit zwei Taxis ging es über die Insel nach Panteli in die Hafentaverne, in der wir zu Beginn des Törns gespeist hatten. Auf der Terrasse genossen wir die Einladung der beiden Geburtstags-kinder und die milde, windstille Nacht.

Samstag, 4. November: Lakki/Leros - Athen

Gitti's Geburtstag - es gab für Sie den Kaffee ans Bett und als Geschenk eine kleine Schmuckkiste von Rog. Heute stand die Einwinterung der ESYS auf dem Programm. Bei 26°C wurden die Segel abgenommen, die Diesel- und Wassertanks gefällt und Peter stimmte die anstehenden Reparaturen mit der örtlichen Servicefirma ab. Für Dieter und mich sollte der heutige Tag der letzte an Bord sein, Dieter wollte wegen den Erfahrungen mit Olympic auf der Anreise mit der Fähre nach Athen fahren. So konnten wir nicht am Captain's Dinner teilnehmen. Wir packten unsere Sachen und wurden von den anderen gegen 20.00 Uhr zur Fähre begleitet. Die Reise mit der Fähre sollte wiederum über 11 Stunden durch die Nacht dauern, nach einem guten Essen versuchten wir im Salon ein wenig Schlaf zu finden.

Sonntag, 5. November: Lakki/Leros - Athen - Mailand -Stuttgart

Die Nacht war unruhig, mit wenig Schlaf gingen Dieter und ich um 6.30 Uhr von Bord der Fähre. In einer geöffneten Bäckerei gab es dann erst einmal ein Frühstück. Jetzt würden wohl die anderen gerade aufstehen und packen ??? Wir setzten unseren Weg zum Flughafen fort, wo wir zuerst noch einige Dinge mit der Olympic wegen des ausgefallen Fluges und der GeldZurückerstattung klärten. Wir erhielten nach einigem hin und her dann die Bestätigung. Von da an folgten noch einige Stunden bis zum Abflug und es war genügend Zeit den Törn nochmals an sich vorübergehen zu lassen. über Mailand kommend, landeten wir dann schließlich in Stuttgart - willkommen in Europa, der Törn war zu Ende.

Fazit: Es war mein erster Törn und nicht mein letzter. An Ostern findet ihr mich wieder bei Peter auf der ESYS. Eine Bemerkung des Skippers während des Törns lautete: "Es ist mit Euch (er meinte die Crew) fast wie im Urlaub und ich hab' bestimmt nach dem Törn zwei Kilo zugenommen. Das war einer meiner schönsten Törns !!"
Jeder packte mit an, wo er dachte helfen zu können. Im Team macht es halt doch am meisten Spaß und während der ganzen Tage kam es nie zu Unstimmigkeiten an Bord.


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