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Was ist Seekrankheit?

Begriffliche Klärung und Erscheinungsweisen



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Reise- oder Bewegungskrankheit (fachsprachlich Kinetose von griechisch kinein = bewegen) nennt man die körperlichen Reaktionen wie Blässe, Schwindel, Kopfschmerz, Übelkeit und Erbrechen, die durch ungewohnte Bewegungen etwa in einem Verkehrsmittel oder in einem Wolkenkratzer ohne ausreichende Schwingungstilgung ausgelöst werden können.

Seekrankheit, Luftkrankheit, Raumkrankheit, oder die Landkrankheit von Seeleuten auf Landgang sind bekannte Varianten. Passive Bewegung in Reisebussen, Autos, Zügen mit Neigetechnik, Flugzeugen, Achterbahnen kann ebenso gut die Symptome hervorrufen. Die etwas betagteren Menschen erinnern sich alle an die Zeiten, als noch jedem zweiten beim Autofahren schwindlig und übel wurde. Damals war der Besitz eines motorisierten Fahrzeug noch ein Luxus; den sich nur wenige leisten konnten. Entsprechend bestand bei den meisten keine Gewöhnung an diese Art der Fortbewegung.
Charakteristisch ist, dass die Lenker des jeweiligen Fahrzeugs so gut wie nie von Reisekrankheit geplagt sind. Auch in Fahr- und Flugsimulatoren und Erlebniskinos kann es zum Auftreten derselben Symptome kommen. Diese Form der Kinetose wird als Simulator Sickness (Simulatorkrankheit) bezeichnet.
Relativ neu sind Erkrankungsfälle unter Computerspielern.



Der herrschenden Meinung zufolge entsteht die Reisekrankheit, wenn die Sinnesorgane widersprüchliche Informationen zur räumlichen Lage und Bewegung des Körpers liefern. Andauernde Widersprüche zwischen der so erfahrenen Bewegung und Lage des eigenen Körpers sollen ein Fehlersignal im Hirnstamm auslösen. Offenbar kann das Gehirn sich adaptieren, denn nach zwei bis drei Tagen lassen die Symptome bei den meisten Menschen nach. Die afferenten Bahnen kommen dabei von den Augen, vom Innenohr, und von den Mechanorezeptoren in Muskeln und Gelenken. Widersprüche gibt es entweder zwischen dem Seheindruck und dem Lagesinn des Innenohrs (visuell-vestibularer Konflikt), oder innerhalb des Innenohrs zwischen den Bogengängen und den Beschleunigungssensoren (Kanal-Otolith-Konflikt). Die Seekrankheit auf einem Schiff würde in die erste Kategorie fallen; die zweite Art von Konflikten soll etwa in Achterbahnen oder Kampfflugzeugen zum Tragen kommen. Beispielsweise würde während einer kontinuierlichen passiven Rotation um eine Achse parallel zur Erdoberfläche die Endolymphe in den Bogengängen nach wenigen Sekunden mitrotieren und kein Signal mehr erzeugen, während die Statolithen unverändert beschleunigt werden.

Diese von Guedry und Reason 1970 entwickelte und seither vielfach geprüfte Hypothese erklärt auch ungewöhnliche Varianten wie etwa die Symptome, die schon durch bloßes Ansehen des Videos einer Achterbahnfahrt entstehen können, oder solche, die an die Schwerelosigkeit gewöhnte Astronauten nach der Rückkehr auf die Erde entwickeln. Unklar ist, ob die körperliche Reaktion auf den neural mismatch (etwa: neuraler Versatz) einen biologischen Zweck erfüllt, oder ob das Erbrechen - eigentlich ein Schutzreflex gegen Vergiftung - irrtümlich ausgelöst wird.

Langsame Rotationen (< 0,4 Hz) verursachen wesentlich stärkere Beschwerden als solche > 1 Hz. Viele Studien haben versucht, einzelne Stimuli exakt auszuwerten. So soll auf Schiffen z.B. die Beschleunigung, deren Vorhersehbarkeit, die Periode der Bewegung, Wellenhöhe, Wellenlänge im Verhältnis zur Schiffslänge und das daraus erzeugte Rollen und Stampfen des Schiffes in einen Algorithmus zur Berechnung der Symptomhäufigkeit eingehen.

Die Lage des hypothetischen Fehlerzentrums im Gehirn, welches die Sinneseindrücke vergleicht und die vegetative Reizung verursacht, ist unklar. Theorien favorisieren die Vestibulariskerne im Mittelhirn und den Flocculus in Kleinhirn. Sicher ist jedoch nur, dass die gesamte Reaktion ohne Beteiligung des Großhirns abläuft. Auch die Chemorezeptoren in der Area postrema, die bei einer Vergiftungsreaktion das Brechzentrum reizen, sind Tierversuchen zufolge bei der Reisekrankheit nicht beteiligt.

Von dem Wiener Allergologen Reinhart Jarisch stammt die Hypothese, dass das biogene Amin Histamin bei der Reisekrankheit eine Rolle spielt. Jarisch propagiert für Betroffene die vorbeugende Einnahme von Vitamin C. Eine 2009 publizierte Studie konnte keinen statistisch sicherbaren Effekt nachweisen.
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