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Regatta mit der Whitbread-Maxi "Defender"

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Bericht von der "Regata Internazionale BRINDISI - KERKYRA",
5. - 6. Juni 96

von Bertold Theelen, Corsairs Yachting, Athen

Die von der Lega Navale Italiana und vom Hellenic Offshore Racing Club organisierte Regatta bestand aus zwei Teilstrecken, der ersten von Brindisi nach Ericoussa (88sm), an der ich als Navigator auf der 7/8 getakelten 80-Fuß-Whitbread-Maxi 'Defender' teilnahm. Start war um 18 Uhr vor Brindisi.

Die "Defender" war mit Abstand das größte Schiff im Rennen, an dem ursprünglich nur Schiffe von höchstens 20 m LÜA teilnehmen sollten. Der Start der "Defender" erfolgte unter IMO Regeln.

Skipper und Miteigner Dr. Benny Jelic, der die "Defender" Ende 1995 übernahm, hatte aus einer großen Zahl von Interessenten eine multinationale Crew zusammengestellt, die jedoch mit diesem Schiff erstmals auf dem Überführungstörn von Athen nach Brindisi Erfahrungen sammeln konnte.

Obwohl sich in der 18-köpfigen Crew einige erfahrene Regattasegler befanden, gab es außer Skipper Jelic niemanden, der Erfahrung mit einem Schiff dieser Größenordnung hatte.

Auch für mich - obwohl seit Jahren als Profiskipper mit Chartercrews in Griechenland tätig - war die Organisation auf einem solchen Schiff neu. Da ich davon ausgehe, daß es zumindest einigen Lesern dieses Berichts ähnlich geht, gebe ich hier eine kurze Beschreibung der Organisation:

Der Bowman ist mit seinen Helfern für den Vorschiffbereich zuständig, er hat weitgehende Entscheidungsbefugnis über die Art des zu fahrenden Vorsegels und das Trimmen desselben. Auf der "Defender" befinden sich 44 Segel, die auf einem zweiseitigen Segelplan aufgelistet sind , der unter anderem die zulässige Windgeschwindigkeit für das jeweilige Segel sowie die hTypenbezeichnung und Angaben über den Schnitt enthält. Der Mastman ist - wie der Name sagt - für den Mast zuständig. Jedes Fall, der Spibaum und der Jockeybaum müssen jederzeit einsatzbereit sein.
Der Pitman mit den Grinders bedient die gewaltigen Winschen und schaltet die Übertragung von den beiden Kurbelsäulen, an denen jeweils zwei Mann arbeiten können, auf die entsprechende Winsch.
Der Mainman ist für die Trimm des Großsegels, Schot, Traveller, Ausholer, Cunningham zuständig.
Die Runners bedienen die running backstays und Trimmen den Mast in Zusammenarbeit mit Bowman und Mainman.
Die Aufgaben von Helmsman (=Steuermann, Anm.d.Red.) und Navigator bedürfen eigentlich keiner weiteren Erklärung, außer vielleicht der, daß der Navigator selbstverständlich auch für Wetterkarten zuständig ist und somit zusammen mit dem Skipper die Taktik ausarbeitet.
Skipper auf einem solchen Schiff zu sein, erfordert neben der selbstverständlichen Kenntnis des Schiffs sowie aller anfallenden Arbeiten ein gutes psychologisches Einfühlungsvermögen sowohl hinsichtlich der Belastbarkeit der einzelnen Crewmitglieder, als auch ihrer Motivation. Auch die unterschiedlichen Persönlichkeiten muß er berücksichtigen und evtl. aufkommende Spannungen rechtzeitig in positive Energie umwandeln. Dr. Benny Jelic erwies sich dieser Aufgabe in bewunderungswürdiger Weise gewachsen.

Die Wetterbedingungen besserten sich im Laufe des 5. Juni ein wenig. Nachdem wir auf der Überführung am 4. auf den letzten 70sm keinen Wind mehr gehabt hatten und recht pessimistisch gestimmt waren, taten die ca. 10 Knoten wahren Windes aus 345 Grad doch sehr gut und der Start unter Groß und 380qm Spi klappte gut. Die Generalrichtung für unseren Kurs war 118 Grad. Leider ließ der Wind nach einer Viertel Meile wieder nach, so daß wir unsere leichte Genua setzen mußten um am Wind an einer Leuchttonne vorbeizukommen, die auf Steuerbord zu lassen war. Nach der Tonne ging es weiter mit Spinaker und wir ließen das Feld der anderen Boote sehr rasch hinter uns: Es war nach 45 Minuten außer Sicht und der Wind frischte nach und nach auf, erst 12 Knoten, später gegen 22 Uhr auf bis zu 15 Knoten , was die "Defender" mit bis zu 17 Knoten SOG (=Speed Over Ground, GPS-Fachausdruck: Geschwindigkeit über Grund, Anm.d.Red.) quittierte.
Wir halsten einige Male wobei wir uns auf jedem Schlag bis zu sieben sm von unserer Idealkurslinie entfernten - konnten aber auf diese Weise für ca. 7 Stunden eine Durrchschnittgeschwindigkeit von 12 Knoten aufrechterhalten, was einer VMG (=Velocity Made Good, GPS-Fachausdruck: Zielgschwindigkeit, Anm.d. Red.) von 7,5 Knoten entsprach. Der Wind ließ ab 4 Uhr stark nach. Um 4.30 kreuzten wir ein weiteres Mal unsere Ideallinie und mußten nun auf jedem Schlag einen stumpferen Winkel zu dieser Linie fahren, um überhaupt noch Fahrt zu machen. Schließlich - ca. 6 sm vor der Ziellinie - gab es überhaupt keinen spürbaren Wind mehr und der leichte Reacher, den wir mit Hilfe des Rauchs einer Zigarette trimmten, der dann doch noch eine Spur von Wind sichtbar machte, brachte uns gegen 9.00 Uhr über die Ziellinie.
Wir haben auf diesem ersten Leg 126 sm in 13 Stunden zurückgelegt. Das Potential der "Defender" , die 1989 auf dem Whitbread Round the World den vierten Platz belegt hat, konnte bei diesen mäßigen Windbedingungen nicht entfaltet werden. So belegte sie denn in der Gesamtwertung auch nur den 12 Platz. Das nächste Boot, das nach ihr die Ziellinie überfuhr (nach 3 Stunden) maß 42 Fuß:Die Erfahrung auf diesem Schiff gesegelt zu haben zählt für mich zu meinen stärksten Segeleindrücken.

Die "Defender" wird in den kommenden Wochen und Monaten an verschiedenen kleinen Rennen teilnehmen und startet im Oktober zum HONG KONG CHALLENGE Round the World Race. Es wird eine 7 köpfige Profibesatzung geben, der Rest der Kojen soll von zahlenden Crewmitgliedern belegt werden. Es können auch Teilstrecken gebucht werden. Nachdem einige ernsthafte Sponsoren ihr Interesse gezeigt haben, wird es sich bei der Proficrew um Topleute handeln.

Wer daran interessiert ist, an der nächsten Vorbereitungsregatta teilzunehmen (AEGEAN ARCHIPELAGOS RACE vom 12.07. bis 18.07.) kann sich bei CORSAIRS melden. Es gibt die Option, eine Woche vorher an Bord zu kommen und an der Trainigswoche teilzunehmen oder nur an der Regatta selbst teilzunehmen. Preis pro Person und Woche: 1.750 US$ (im Preis eingeschlossen: Verpflegung während der Regatta, Transfer vom Flughafen, alle Hafengebühren, Treibstoff, Gas, Wasser, Startgebühren, Cocktailparty am Ende der Regatta, T-Shirt, Videokassette von der Regatta, Fotos.