EUROPÄISCHES SEGEL-INFORMATIONSSYSTEM

Holzwind:
Wriggen mit Werkeln statt Würgen

YACHTREVUE 4/1981
von Johannes Czernin


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MU - FONG; chin.: der HOLZ-WIND -
Wenn der Wind endgültig Gute Nacht gesagt hat, wenn der Blick in den Treibstofftank nur noch einen trockenen Boden zeigt, wenn dem Akku der Saft ausgegangen ist, oder wenn es überhaupt keinen Motor an Bord gibt, dann bleibt dem Skipper - zumindest wenn er österreichisch spricht - nur noch ein Hilfsmittel übrig: Er greift zum "HOLZ-WIND" ... und mühselig werkenlnd versucht er paddelnd den Heimathafen zu erreichen, bevor das letzte Wirtshaus Sperrstund hat.
Ist der schwimmende Untersatz klein und bescheiden, so mag man mit dem Paddeln recht gut zurechtkommen - aber wenn die prächtige Segelyacht einmal einen Zweier oder gar einen Dreier an der Zehnerstelle der der Fussangabe aufweist, dann wird aus dem Werkeln sehr rasch ein Würgen .... und das besagte Wirtshaus wird dann wohl zu sein.
Nun gibt es im fernen Osten die Chinesen, von denen gibt es mehrere Millionen, und von denen wieder leben Konfuzius-weiss-wie-viele am Meer und mussten schon mit Schiffen aller Art umgehen, bevor man in unseren Breiten begann, vom Erdboden hinauf auf die Bäume zu kraxeln.
Diese Chinesen zeichneten sich durch eine merkwürdige Kombination von zwei Eigenschaften aus: Sie sind hochintelligent, und sie lieben es nicht, schwer zu arbeiten.  Was ein echter Chinese ist, der scheut es sich nicht, endlos lange zu tüfteln, um eine Erfindung zu machen, die keinen anderen Sinn hat, als ihm später dann eine mühsame Arbeit zu erleichtern. Das Schiesspulver wurde so erfunden und die Rakete, behaupten Experten, oder auch die Spaghetti - die beiden ersteren, um einem bösen Feind schwere böse Dinge an den Kopf zu schleudern, die letztgenannten, um auf langen Reisen durch Wüstengegenden einen leicht  transportablen Proviant mit dabei zu haben.
Auch das Vorwärtsbewegen eines Schiffes mittels eines Ruders regte sehr bald die Erfindungsgabe der chinesischen Seefahrer an. Eine ordentliche Dschunke auf normale Weise zu paddeln, dürfte ohnehin ein Ding der Unmöglichkeit sein - ab einer gewissen Grösse läßt sich so etwas sicherlich bestenfalls durch Ziehen seitens einer grösseren Menge watender Kulis vorwärtsbewegen - oder durch die Kunst des Wriggens.
Mit Absicht sage ich "vorwärts" bewegen; wer schon einmal zu wriggen versucht hat, wird wissen, was ich meine. Mein Konversationslexikon beschreibt "WRIGGEN" so:
"Ein Boot durch einen am Heck hin und her bewegten, bei der Bewegungsumkehr jeweils in bestimmter Weise gedrehter Riemen vorwärtsbewegen".
Probieren wir das einmal, und vorsichtshalber anfangs in einem kleinen Boot, einer Jolle etwa: Man nimmt das Stechpaddel, sticht es am Heck ins Wasser, hält es mehr oder weniger senkrecht, führt es mit einer Hand kraftvoll ausholend von Backbord nach Steuerbord und wieder retour, und mit der anderen hand dreht man jeweils an den Umlenkpunkten der Bewegung desn Schaft des Paddels so, dass das Blatt unten im Wasser der Bewegungsrichtung gegenüber jeweils in einem positiven Anstellwinkel geführt wird. Haben Sie verstanden?
Macht nichts - auch wenn Sie es irgendwann erfasst haben sollten - Ihr Boot wird nie geradeaus oder gar vorwärts fahren wollen, und spätestens nach dem dritten oder vierten Mal des "Hin" und "Her" tun Ihnen sämtliche Muskeln im Körper so weh, dass sie das Ganze aufgeben und lieber wieder am Mast kratzen, Neptun ein Stamperl Slibowitz (heuzutage eher on vogue: Slijovovica) spendieren, selber den letzten Doppler leeren oder sonst irgend etwas tun, was vielleicht doch wieder Wind herbeirufen könnte.
Wenn die Chinesen nicht gewesen wären! Die hatten die gleichen Probleme offensichtlich schon vor tausenden Jahren, und sie hatten weder Slibowitz noch Doppler - aber sie hatten ihre zu anfangs erwähnte Nationaleigenschaft. ......
Irgend einer mag wohl einmal nachgedacht haben. Dann packte er sein langes Dschunken-Heck-Paddel, stiess einen gellenden Shao-Lin-Schrei aus und knickte es ab - genau im Winkel von 8 Grad und so, dass die Ebene des geknickten Schaftes im rechten im rechtenwinkel zum Blatt des shao-lin-isierten Paddels stand.
Dann nahm unser unbekanntes Genie zwei Stückchen Kordel, vielleicht sogar gelbe Seidenschnunr. Mit dem einen Ende (auch im Gelben Meer kennt man seemännische Fachausdrücke!) sicherte er das misshandelte Paddel in der Dolle, auf dass es ihm nicht auskomme, und das andere Ende führte er vom Griffteil des Paddels zum Boden der Dschunke.
Wozu ? Die von Konfuzius inspirierten Winkelverhältnisse und die richtig ausgetüftelte Länge der gelben Seidenschnur zum Schiffsboden bewirken schlichtweg ein seemännisches Wunder:
Der chinesische Spip-Pel blaucht das Ludel nul noch mit del Hand klaftlos hin und hel zu bewegen, und dulch die Macht del Göttel schlägt das Ludelblatt jeweils an den Umlenkpunkten del Hin- und Hel-Bewegungen so um, dass es immel den lichtigen Anstellwinkel im Wasser einnimmt, und die gelbe Schnul zul Plicht velhindelt, dass das Ludel ständig nach oben wegsplingen will und man immer mit grossel Klaft dagegenhalten muss.
Wer schon einmal mit offenen, seemännischen Augen in der Gegend des Gelben Meeres unterwegs war, der weiss zu berichten von zarten Knaben, die durch leichtes Hin- und Her-Wacheln mühelos von einer Seite des Hafens zur anderen fahren lassen - und das pfeilgerade wie ein chopstick im Sweet-and-Sour-Pork.
Kaufen kann man so ein chinesisches Wunderding bei uns natürlich nicht - aber basteln kann es jeder, der an die Macht der Drachengötter zu glauben gewillt ist. Am Neusiedlersee beispielweise ist so ein Paddel manchmal ganz brauchbar. ........


Man nehme ein ordentliches Paddel - für eine durchschnittliche Austro-Yacht mögen so drei Meter gerade die richtige Länge zu sein. Wer Shao-Lin nicht beherrscht, sägt das Paddel entzwei - in ein kürzeres und längeres Stück. Wesentlich ist vielleicht, dass beide Teile irgendwo an Bord Platz finden können. Am meisten Arbeit macht dann wohl ein Rohrstück, im Durchmesser so, dass es den Schaft des Paddels satt aufnehmen kann, geknickt genau im Winkel von 8 Grad. Das Material sollte zumindest Messing sein, weitaus besser natürlich Nirosta - Stahlblech.
Am Spiegel des Schiffes benötigt man eine Dolle (apropos - wer von unseren Freizeitschiffern zwischen Fertö und Ragusa weiss eigentlich, wozu er diese an seiner eigenen Yacht hat, vor allem wenn diese französischen Ursprungs ist ? Ich will es gerne verraten: An den Küsten der Bretagne ist das Wriggen unter Berufsschiffern ebenso populär wie unter Privat Yachties - allerdings nur auf die Geradeaus - Methode, ganz ohne den chinesischen Zaubeltlick !)
Der Rest sind Kleinigkeiten. Am kürzeren (Griff-) Teil des Paddels wird das geknickte Rohr mit Nirosta - Schrauben befestigt. Die demontable längere Hälfte sichert ein Splint, ebenso aus Nirosta - und ACHTUNG ! :
Die Löcher für diesen Splint müssen so gebohrt werden, dass die Ebene des geknickten Schaftes einerseits und die Schaufel des Paddels andererseits genau im rechten Winkel zueinander stehen - sonst tuns die Dlachen - Göttel nicht !
Ein Ende befestigt man beim stehenden Gut mit einer Nirosta - Öse am unteren Paddelteil, sichert daran den Befestigungssplint, spleisst ein Auge und hängt damit das Paddel an der Dolle fest - genaue Längen muss man ausprobieren. Der zweite Tampen wird am Boden des Cockpits fixiert und natürlich wieder mit einem sorgfältig seemännisch gespleissten Auge, über den Griff des Paddels gelegt. Ein kleines, nasenförmiges Holzklötzchen hindert das gespleisste Auge daran, in Richtung zur Dolle hin abzurutschen.


So, jetzt kann die Suppe serviert werden ! Wer chinesische Küche nur von österreichischen "CHINESERN" her kennt, weiss sicher schon wieder nicht, was ich meine.
Ich meine wir sind am Schluss der Geschichte. Die wahren Söhne der Mitte essen nämlich ihre Suppe nicht zu Beginn, wie wir Langnasen, sondern erst am Ende des Mahls, sozusagen als "DLÜ-BEL-STLEU-EL" und wer meine chinesiche Mär bis hierher wacker mitgelesen hat, der darf also jetzt seine Suppe essen. Auch wenn er es nicht glauben will, dass "Mü-Fong" funktioniert - das Chinesische Wundel tlitt wilklich ein !