EUROPÄISCHES SEGEL-INFORMATIONSSYSTEM

Verseuchter Treibstoff:
Die Pest im Diesel, Teil 1

mit freundlicher Genehmigung der Yachtrevue

Letztes Update 02/2023


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Was man über Mikroben im Treibstoff und deren meist unangenehme Folgen wissen sollte, verrät KARL SPINDLER

Bakterienschlamm im Diesel
Bakterienschlamm im Diesel
(Bild: LIQUI MOLY) Großbild klick!
Groß war das Staunen, als im Sommer 1984 an der französischen Mittelmeerküste innerhalb weniger Tage eine ganze Fischerflotte lahmgelegt wurde. Die Boote waren zu ihren täglichen Fangfahrten ausgelaufen und dann massenweise mit verstopften Dieselleitungen oder Filtern liegengeblieben. Die französische Regierung setzte eine Untersuchungs-Kommission ein, und diese stellte schließlich fest, daß eine Pilzart daran Schuld sein mußte. Kurz darauf sah sich auch die Marine eines westeuropäischen Staats mit einem ähnlichen Problem konfrontiert: Es traten technische Versager auf, weil die in großen Tanks gelagerten Kraftstoffvorräte von Keimen befallen waren.
1989 machte sich dieses Phänomen erneut in großem Umfang bemerkbar, als offensichtlich verunreinigter Diesel die Busse in einer europäischen Hauptstadt lahmlegte. Die Misere dauerte fünf Monate, ehe man dem Täter endgültig auf die Spur kam und herausfand, daß eine mikrobakterielle Verunreinigung des zentralen Tanklagers Schuld an diesem Desaster hatte. Was bis dahin niemand glauben konnte, wurde nun bestätigt: In und vom Diesel können winzig kleine Organismen leben.
Insbesondere in den letzten Jahren ist Dieselpest zu einem ernst zu nehmenden Problem für Sportbootfahrer geworden. Einer der Hauptgründe für die Bakterienbildung im Tank ist der bis zu siebenprozentige Anteil an Biokraftstoffen, der heutzutage fast allen Dieselkraftstoffen beigemischt ist. Was ist das Problem mit dem Bioanteil im Diesel? Was im Auto kaum Probleme bereitet und aus Gründen der Nachhaltigkeit sinnvoll sein kann, kann an Bord unangenehm enden. Der Diesel ist nur begrenzt haltbar und hat aufgrund des enthaltenen Fettsäuremethylesters ('FAME') von Natur aus einen höheren Wassergehalt. Dadurch wird das Bakterienwachstum gefördert. Die Verschlackung durch Mikrobenbefall im Tank ist nicht nur aufwändig wieder loszuwerden, sondern stellt auch ein Sicherheitsrisiko da, wenn der Motor plötzlich aus geht. Die große Wirkung dieser kleinen Tierchen bekamen schließlich auch die Sportbootfahrer zu spüren. Im vergangenen Jahr wechselte der Eigner der Kärntner Yacht Pontiki seinen Dieselfilter und zog daraus einen schleimigen Zopf. Ähnliches erlebten die Skipper der Hallberg Rassy 352 Melan und der Bayliner 33 Selecta. Alle drei Boote liegen übrigens in derselben Marina in Istrien. Das Problem ist im Yachtsport jedoch nicht neu; der Motor einer deutschen Hallberg Rassy 42 wurde innerhalb von drei Jahren gleich zweimal wegen verstopfter Leitungen stillgelegt.

Vom Diesel leben sie, im Wasser vermehren sie sich

Bakterienschlamm verstopft den Filter
Bakterienschlamm verstopft den Filter
(Bild: marepiu.blogspot.com)
Als sich die Wissenschaft näher mit den unerfreulichen Quälgeistern beschäftigte, wurde herausgefunden, daß das Wasser auch in dieser sonderbaren Spielart des Lebens eine übergeordnete Rolle spielt. Es steht mittlerweile fest, daß ein Mikroorganismen-Befall nur dann möglich ist, wenn sich Wasser in den Tanks befindet. Das Wasser, das auf unterschiedliche Art in den Treibstoffbehälter gelangen kann (z. B. als Kondenswasser durch tag- und nachtbedingte Temperaturunterschiede im Tank), lagert sich, da es schwerer als Diesel ist, größtenteils am Boden ab. Gelangen mit dem Treibstoff oder Wasser eingeschleppte Pilze oder Bakterien an die Grenzschicht zwischen Diesel und Wasser, finden sie ideale Lebensbedingungen vor. Zahlreiche Mikroorganismen leben sozusagen vom Treibstoff: Sie sind in der Lage, Mineralölprodukte biologisch zu oxydieren, brauchen jedoch das Wasser, da sie nur dort Keime bilden können. Wie in vielen Bereichen der Biologie spielt dabei die Temperatur eine wichtige Rolle: 30 bis 40 Grad sind für ein rasches Wachstum (= Vermehrung) ideal, und das ist auch einer der Gründe, warum verseuchter Diesel eher ein Problem des Mittelmeeres als eines der Ost- und Nordsee ist. Neben dem Verstopfungsproblem geht von den ungebetenen Gästen jedoch noch eine andere Gefahr aus, nämlich die mikrobakterielle Korrosion, die nicht durch die Bakterien selbst, sondern durch deren Stoffwechselprodukte erzeugt wird. Es handelt sich dabei um aggressiven Schwefelwasserstoff, der beispielsweise die Aluminiumkolben eines Schiffsdiesels angreift und à la longue zerstört.
Wer sich in den Motorenwerkstätten im Umkreis großer Marinas umsieht, wird solche Korrosionsbeispiele finden. Peppi, Inhaber einer Bootsmotoren-Werkstatt in Lignano, warnte schon vor Jahren seinen Kunden vor billigem Diesel, den er als merda bezeichnete. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Diesel, der mit Wasser und Mikroben kontaminiert ist, wird trübe und entspricht nicht mehr den spezifischen Anforderungen. Im Laufe des Wachstums der Mikroorganismen bilden sich zähflüssige Produkte, die sich in Leitungen und Filtern festsetzen. In vielen Fällen werden auch die Tankwände von den Mikroben befallen. Dies wird meist übersehen, weshalb ein Leerfahren (oder Auspumpen) des Tanks nichts fruchtet. Wenn gegen diesen Keimbelag nichts unternommen wird, wird von dort immer wieder eine Verseuchung ausgehen. Nicht gewartete oder veraltete Lagersysteme und Tankstellen stellen immer ein großes Risiko dar. Der trübe, verseuchte Diesel wurde übrigens 1995 in der Adria getankt.

Kampf den Mikroben

Die Handbücher der Motorenhersteller raten zum Tanken von sauberem und wasserfreiem Treibstoff der Qualität soundso. Die Erfinder solch schlauer Tips sollte man kielholen, denn wer kann sich auf Törn schon die Tankstelle aussuchen oder gar in die Lagertanks sehen?
Zur Vorbeugung bieten sich drei Möglichkeiten an:
1. Die Montage eines wirkungsvollen Vorfilters mit Wasserabscheider in der Brennstoffleitung (womöglich mit Schauglas, um eventuelle Verunreinigungen gleich optisch wahrnehmen zu können).
2. Mindestens einmal im Jahr den Bodensumpf aus dem Tank abpumpen
(was in der Praxis auf den meisten Yachten jedoch nicht leicht realisierbar ist).
3. Beim Tanken einen Zusatz von Bioziden, Bakteriziden oder Fungiziden beimischen. Bei einem 150-Liter-Tank reicht bespielsweise bereits ein 1/8-Liter Additiv als Prophylaxe, bei manchen Produkten sogar noch weniger. Das Beimischen ist also keine Kostenfrage, weshalb es sich in Gegenden, wo zweifelhafter Diesel befürchtet wird, auf jeden Fall lohnt.

Radikalkuren und Dieselzusätze

Schutz für Marinediesel
Schutz für Marinediesel
(Bild: LIQUI MOLY)
  • 24.03.2019:
  • LIQUI MOLY-Additive gibt es in jedem Yachtshop
  • Aus Amerika kommt Bio Guard Fuel Microbiocide, das speziell für die Bekämpfung von Bakterien in Dieseltanks entwickelt worden ist, weiters gegen Schleim, Pilze und Korrosionsbildung wirken soll, und Diesel Guard Marine Diesel Additiv, ein gegen allgemeine Probleme von Dieselmotoren entwickelter Zusatz. Diesel Guard soll Schlammbildung und Filterverstopfung vorbeugen, Einspritzdüsen schmieren, Wasser binden und dadurch Korrosion verhindern. Das Microbiocide gibt es in einer 450-Gramm-Flasche für 1.800 bis 3.600 Liter Diesel, das Diesel Additiv in einer 900-Gramm-Flasche für 1.000 Liter. Beide Produkte sind auch gemeinsam im Set erhältlich.
  • Ebenfalls aus den USA, von der Firma Starbrite, kommt Diesel Fuel Water Absorber. Es handelt sich dabei um ein wasserabsorbierendes Mittel, das dem Wachstum von Mikroben und der Korrosion im Brennstoffsystem vorbeugt. 0,5 Liter reichen für 1.000 Liter Diesel.

    P. S.: Nur mit MAR 71 ist neben der vorbeugenden Wirkung auch ein sofortiges Killen der Mikroben in einem bereits verseuchtem Tank möglich. Alle anderen Produkte sind Diesel-Additive mit einem vorbeugenden Wirkstoff, der das Entstehen von Bakterien und Pilzen im Dieseltank verhindert.

Dieselpest Teil 2