Ägäis - d. h. Segeln bei Sonne, Wärme und Wind - aber Irren ist menschlich
Freitag, 8. Mai 1998
Heuer haben wir eine neue Startvariante für unseren Oneway-Törn. Start ist
im Hafen
Lavrion, auf dem Festland. Ziel ist die Insel Samos, die man schon als
unsere Heimatinsel
bezeichnen kann. Zuerst Flug nach Athen und dann mit Taxometer rund 60 km
weiter nach
Lavrion. Dort übernehmen wir, wie im Vorjahr, eine Olympic Sea 42.
Mit von der Partie in unserer 362-jährigen Crew sind heuer wieder Skipper Otmar, Gerhard, der Wundermensch am Anker und beim Aufbacken, Hans und Karl als Mädchen für alles und Peter als Navigator, Ankerüberwacher und Mortimer für den Küchenservice.
Als erstes erledigen Gerhard und ich die Erstversorgung. Ein Supermarkt-Besitzer holt uns ab und läßt uns dann natürlich vollgepackt wieder zurückbringen. Danach lauschen Otmar, Peter und ich den Einweisungen des Beauftragten der Charteragentur.
Im Anschluß daran packen alle rasch aus und kurz vor 16.00 Uhr schmettert Otmar laut- stark das Kommando Motor an, klar zum Auslaufen. Wir düsen los und freuen uns auf die angekündigten 5 bis 6 Bft. Doch wie wir es von Griechenland gewohnt sind, stimmt natürlich der Wetterbericht nicht ganz, der Windmesser zeigt bald mehr an. Wir starten schließlich zur Unterstützung erneut den Motor, denn bei 8 Bft., mit entsprechend kleiner Segelfäche, ist das Vorankommen mühsam und wir wollen nicht erst bei Dunkelheit ankommen.
Im letzten Jahr haben wir eine Dusch-Ordnung eingeführt. Jede Dusche durch Wellen wurde bewertet. Otmar erreichte dabei Punktzahl 100, was schon als tolle Leistung anzusehen war. Ich schaffte jedoch gleich am ersten Tag die absolut maximal erreichbare Steigerung. Alle waren über und über naß, das Wasser stand knöcheltief im Cockpit, die Freunde zeichneten mich mit der Punktzahl 200 aus, einem nie mehr erreichten Wert.
Kurz nach 19.00 Uhr liegen wir längsseits am Kai des Hafens Vourkari auf der Insel Kea. Bald danach speist unsere Crew auf meine Kosten in einer Taverne.
Samstag, 9. Mai 1998
Es geht gleich frustierend weiter. Der Himmel ist bewölkt, zeitweise regnet
es, Temperatur
ca. 15 Grad und außerhalb der Bucht peitschen 6 bis 8 Bft. das Wasser. In
Bayern dagegen
ist herrliches Sommerwetter. Auslaufen wäre heute sehr leichtsinnig. Was
macht man an so
einem Tag?, man vergammelt ihn an Bord oder geht kurzzeitig mal im Ölzeug
spazieren.
Nur Mortimer verwöhnt uns mit einem mehrgängigen Abendessen. Hans will seinen Salat nachwürzen, reißt aber voller Eifer gleich den Boden der Pfefferdose ab, und hat einen großen Teil des Inhaltes auf seinem Teller. Er repariert die Dose, aber weil? s so schön war, passiert es ihm, vor lauter Begeisterung, gleich noch mal. Tapfer hat er trotzdem den scharfen Salat gegessen.
Sonntag, 10. Mai 1998
Endlich geht es weiter. Nach einer abwechslungsreichen Fahrt erreichen wir
auf Seriphos
die Bucht Koutala und freuen uns nach abgeschlossenem Ankermanöver wieder
auf das
Ergebnis von Mortimers Kochkünsten.
Montag, 11. Mai 1998
Seglerisch ein schöner Tag, nachmittags wird es sogar etwas wärmer. So
erreichen wir auf
der Insel Milos den Hafen Adamas. Hans späht vergebens nach seinem
Schwarm, wahrscheinlich ist sie inzwischen Mamma.
Gerhard, Hans und Karl machen einen Busausflug in die Chora, Otmar und ich ergänzen im Supermarkt unsere Vorräte. Danach wage ich mit Peter ein erstes Bad im sehr kalten Wasser. Das macht Hunger, welch? ein Glück, heute hat Hans seine Spendierhosen an. Der Retsina ist ein guter Ersatz für?s nicht gefundene Engerl.
Dienstag, 12. Mai 1998
Da unser Bruce-Anker nicht hält, haben wir gestern statt dessen den
Heckanker mit langer
Leine am Bug angebracht. Prompt hat sich die Leine nachts gedehnt, sehr
früh am Morgen
stoßen wir mit dem Heck sanft an die Mole. Also alles raus aus den Kojen
und das Boot zwei
Meter nach vorne verholen.
Gestern Abend schien noch der Vollmond, heute dominieren wieder Kälte und dunkle Wolken. Der Wind weht jedoch günstig, so kommen wir gut zur Insel Siphnos, wo wir im Hafen Kamarei festmachen. Wegen der Fallböen sichern wir das Boot mit einer Spring.
Einer nach dem anderen zeigt sich spendabel, heute ist Gerhard der Gastgeber.
Mittwoch, 13. Mai 1998
Die Fallböen in dieser Buch sind furchterregend. Nachts wechselt ihre
Richtung um 180°.
Irgendwann haben sie dann unseren Anker herausgehebelt. Wieder alles raus
aus den
Kojen. Nachdem wir inzwischen das einzige Boot im Hafen sind, verhohlen wir
uns längsseits. Nun kann es aus allen Richtungen wehen.
Am Vormittag erkunden wir mit Mopeds die Orte Apolonia und Kastro. Danach machen wir noch mit einem Abstecher zur malerischen Bucht Faros. Die Sonne verdrängt die Wolken, wir genießen die Ruhe und die schöne Aussicht. Als wir zurückkommen ist der Hafen voll, aber mit nachbarschaftlicher Hilfe verläuft das Ablegen ohne Probleme. Vorher warnen wir natürlich noch die neuen Anlieger vor den Fallböen.
Endlich haben wir mal Ägäis-Wetter und genießen so die Fahrt in den Hafen Psati auf Kimolos, wo wir im wieder längsseits festmachen. Karl, Hans und Gerhard erkunden die einzige Taverne, sie ist zwar klein aber fein, wir speisen auf Karl?s Kosten.
Donnerstag, 14. Mai 1998
Bei idealen Bedingungen legen wir in 8 Stunden die 43 sm zur Bucht Treis
Klisies auf Ios
zurück. Mortimer verwöhnt uns am Abend mit einer riesigen Portion
Kaiserschmarrn. Wieder
ist es danach zu kalt, um an Deck noch ein Glaserl Wein zu trinken.
Freitag, 15. Mai 1998
Ein weiterer schöner Segeltag folgt, zwar frisch, aber immerhin mit gutem
Wind. So kommen
wir rasch in den Hafen Katapola auf unserer Lieblingsinsel Amorgos. Nach
drei Anläufen -
starker Seitenwind erschwert das Manöver - liegen wir römisch-katholisch
sicher an der Pier.
Am Abend ist heute Otmar der Einladende.
Samstag 16. Mai 1998
Starkwind aus Osten ist angesagt, aber genau da wollen wir hin. Bei dem
vollen Hafen ist es
kein Wunder, daß wir beim Anker-auf-Manöver noch einen zweiten mit
heraufziehen. Unsere
Ankercrew löst dieses Problem jedoch souverän. Wir laufen aus und kämpfen
uns an der
Nordküste von Amorgos entlang. Wie schon so oft, so macht uns auch heuer
der Rückschwell von der steilen Felsküste arg zu schaffen. Kaum sind wir um die
letzte Huk herum,
legt der Wind auf 7 Bft. zu, in Böen zeigt der Windmesser sogar 8 Bft. und
mehr an.
Ich komme als Starkwind- und Sturm-Steuermann voll auf meine Kosten. Es wäre jedoch leichtsinnig weiterzufahren. Wir kehren um und fahren in den Hafen Aegiali auf Amorgos. Drei Versuche in der Hafenbucht zu ankern scheitern - der Anker hält nicht. So gehen wir wieder längsseits an die Pier.
Wir untersuchen den Anker, kein Wunder, daß er nicht mehr hält, eine der beiden Flunken ist verbogen. Wir leihen uns von einem Fischer einen Vorschlaghammer, Gerhard ist als Schmied tätig, ein Poller ist der ideale Amboß.
Sonntag, 17. Mai 1998 In der Nacht gießt es wieder wie aus Kübeln. Mortimers Wunsch, die starren Leinen mal in Süßwasser zu reinigen, hat sich damit von selbst erledigt. Am Morgen ist der Starkwind vorbei und so fahren wir mit Motor an der Nordküste von Amorgos entlang. Danach kommt Wind auf und wir können, sogar bei Sonnenschein, zur Insel Levitha segeln.
Nach drei vergeblichen Versuchen in der Westbucht zu ankern - der Grund ist fast komplett mit Seegras bewachsen - ankern wir in der Ostbucht. Hier klappt das Manöver auf Anhieb.
Montag, 18. Mai 1998
Peter hat Geburtstag, ein Morgenständchen aus fünf Kehlen schmettert vor
dem Frühstück
durch den Salon. Unser Ziel heute ist die fjordartige Vathy-Bucht auf der
Insel Kalymnos. Die
Pier ist voll mit Ausflugsbooten, man signalisiert uns jedoch, daß sie in 5
Minuten auslaufen.
So drehen wir einige Runden und starten dann das Anlegemanöver.
Wie schon so oft, habe ich auch heute den Eindruck, daß sich die Anzahl der möglichen Leinenverbindungen Schiff - Pier bei uns immer mehr steigert. Bei einer Punktwertung, gäbe es heute 100. Immer wieder finden wir eine neue Variante, lösen eine vorhandene und bringen so zentimeterweise das Boot in eine Position, die unseren Skipper zufrieden stellt.
Am Abend sind wir natürlich Peter?s Gäste in der Taverne, die direkt neben der Pier liegt. Wir haben Sie noch vom Vorjahr in bester Erinnerung und sind vom Angebot erneut begeistert.
Dienstag, 19. Mai 1998
Gerade 1 ½ Tage war es zwar nicht warm, aber immerhin schön, schon ziehen
wieder
dunkle Wolken über den wunderbaren blauen Himmel der Ägäis. Die Fahrt nach
Arki bringt
uns viel Abwechslung. Der Wind schwankt zwischen 15 und fast 40 Knoten.
Regenschauer
sorgen für eine weitere Erfrischung und Donnergrollen in der Ferne rundet
das ganze Programm ab. Später erfahren wir, daß es auf Samos so stark gegossen hat, daß
die leicht
abwärts führende Straße zum Hafen zu einem Fluß wurde.
Die Pier in der Porto Augusta auf Arki ist so voll wie noch nie, aber ein
Plätzchen ist noch
frei und wir legen diesmal mit Heckanker an.
Mittwoch, 20. Mai 1998
Der Märchenonkel vom Wetterdienst hat zwar viel Wind angekündigt, aber die
Realität ist
anders. Ab und zu ein sanftes Lüfterl und dann wieder Flaute, wir kennen
das ja schon
bestens von unseren vielen Törns in diesen Gewässern. So legen wir den
größten Teil der
Strecke nach Agathonisi unter Motor zurück. Dafür aber ist es heute sonnig.
Endlich kommt
mal die Bermuda zum Einsatz.
Die komplette Mannschaft entschließt sich zum Schwimmen in einer schönen Bucht neben dem Hafen. Die niedrige Wassertemperatur entlockte uns nicht nur Lustschreie. Zum Glück waren hier ganz alleine.
Unser langjähriger Anlegehelfer und Wirt George hat seine Taverne jetzt direkt neben dem Hafen. So hält er es nicht mehr für nötig zur Pier zu kommen, da alle Segler sowieso bei ihm vorbeigehen. 10 Jahre waren wir seine Gäste, mehrmals die ersten einer Saison, nun reicht es bei ihm zur Begrüßung gerade noch zu einem gelangweilten und leisen Hello. Wir antworten im gleichen Tonfall und gehen weiter zur Taverne Seagull, mit einem reichhaltigen Angebot leckerer Speisen.
Donnerstag, 21. Mai 1998
An unserem letzten Tag umfahren wir, fast ausschließlich mit Motor, die
Ostseite von
Agathonisi. Danach steuern wir unser Endziel, den Hafen Pythagoreion auf
Samos an. Für
die letzten Meilen können wir sogar nochmals die Segel setzen. Endlich ist
es mal, zu-
mindest in der Sonne, richtig warm.
Nach der freundlichen Begrüßung durch Hugo ging auch der Aus-Check mit ihm rasch und ohne Probleme über die Bühne. Jeder packt seine sieben Sachen zusammen. Wie immer beschließt ein hervorragendes Essen beim Esperides den Törn. Auch hier sind wir Stammgäste und werden dementsprechend herzlich von den Inhabern begrüßt. Ich brauch? gar nicht mehr bestellen, es reicht meine Bemerkung wie immer und schon kommt das herrliche Souvlaki diavolo auf den Tisch. Das ist halt der Unterschied, der eine weiß wie man sich Stammgäste erhält, der andere anscheinend nicht.
Zusammenfassung
Zwar war das Wetter größtenteils schlecht und die Temperatur oft niedrig,
dafür hatten wir
jedoch an vielen Tagen guten Wind zum Segeln und dazu sind wir ja
hergekommen. Zum
Abschluß fliegen die Gedanken schon zum nächsten Jahr, wo wir evtl. von
Lavrion aus in
die Nördlichen Sporaden fahren wollen und über Lesbos und Chios wieder zu
unserer
Heimatinsel Samos.
Unter Segel: 223
Unter Motor: 127
Tag 8.5. 9.5. 10.5. 11.5. 12.5. 13.5. 14.5. 15.5. 16.5. 17.5. 18.5. 19.5. 20.5. 21.5.
Tagesminimum 6 6 2 3 2 2 4 3 1 1 1 2 1 1
Tagesmaximum 8 8 4 4 5 6 5 5 10 7 3 7 3 2