Windy.com - Was ist das? Was soll das? Was bringt uns das?
Die Methodik der Wettervorhersage hat sich im Laufe der Jahrzehnte durch den Einsatz von Computern erheblich geändert und damit auch die Vorhersagequalität dramatisch verbessert. Dieses wird natürlich objektiv durch Vergleich der bestmöglichen Produkte der Vorhersagen mit den eingetretenen Beobachtungen - und nicht durch subjektive Erinnerung an die die drei Sätze im Rundfunk, die das Wetter von Rügen bis zum Schwarzwald wiedergeben sollen.
Das Prinzip der Wettervorhersage ist relativ einfach: Wir können das Wetter durch 6 Variablen beschreiben nämlich Druck, Temperatur, Feuchte und 3 Wind-Komponenten. Dann haben wir 6 Gleichungen, so dass jeder mit Kenntnis der Oberstufen-Mathematik sofort denkt: Das ist lösbar!
Die Gleichungen sind auch wohl bekannt, zum Beispiel Newton: Kraft = Masse * Beschleunigung. Kontinuitätsgleichung: Was in ein Volumen hineinfliesst, muss auch wieder herausfliessen. Erster Hauptsatz der Thermodynamik: Die Energie in einem geschlossenen System ist konstant. Thermische Zustandsgleichung für Gase, die den Zusammenhang zwischen den thermischen Zustandsgrössen beschreibt, also Druck, Volumen, Temperatur und Masse, Hydrostatische Grundgleichung, die die Druckabnahme mit der Höhe beschreibt.
Da durch diese Gleichungen auch zeitliche Änderungen beschrieben werden, geht es also ganz einfach weiter: Bestimme das Wetter am Sonntag um 00 UTC (Wetterbeobachtung, Radiosonde, Satellit, Flugzeug, Schiff) und berechne die Zustandsgrössen für H+24? bis H+240, also 10 Tage im Voraus. Das ist dann schon sehr interessant - bis zur Qualität von heute war es aber ein langer Weg!
Diese grundlegend neue Vorgehensweise der sogenannte Numerischen Wettervorhersage (NWV) geht auf Lewis F. Richardson 1921 zurück, der ein Gitter über Mittel-Europa legte und seine Studenten rechnen liess - für die 24-stündige Vorhersage brauchte er allerdings deutlich mehr als einen Tag, was keine Begeisterungsstürme auslöste: sozusagen eine Vorhersage für die Erinnerung.
Bezüglich des Rechenaufwandes: Richardson benutzte 1921 ein Gitter mit einem Abstand von 200 km und 4 Schichten in der Höhe. Heute rechnen wir mit einem Gitterabstand von 7 km global (lokal bis 2 km) in 90 Schichten: das ergibt 2.9 Millionen Gitterpunkte pro Schicht und bei 90 Schichten insgesamt 265 Millionen Gitterpunkte - da muss schon etwas gerechnet werden.
Für die Berechnung einer 3-Tages-Vorhersage mit den Methoden der NWV bräuchte man mit einem Taschenrechner mit 1 FLOP/s (FLOP = Floating Point Operation pro Sekunde) 32 Millionen Jahre. Der erste Computer in den USA, der berühmte ENIAC, hätte 6000 Jahre gebraucht. Mit einem ALDI-PC ginge das in drei Tagen, wir brauchen dafür beim DWD mit einem Super-Computer weniger als eine Stunde - das ist dann schon sehr interessant für alle, die vom Wetter abhängig sind - oder sich auch nur einfach dafür interessieren.
Wie bringen die Wetterdienste die Ergebnisse dieser Arbeit nun an den Kunden - den Segler, den Piloten und allen Wetter-Interessierten? Es gibt ein binäres Dateiformat namens BUFR, in das die Modellergebnisse geschrieben werden. An jedem Gitterpunkt stehen dann die berechneten Werte aller meteorologischen Parameter wie Windgeschwindigkeit, Temperatur, Druck, Feuchte, Niederschlag usw. Dieses BUFR-Format ist Grundlage vieler Apps in allen Betriebssystemen, in Android zum Beispiel Windfinder, Windguru oder ähnliche, die man als Segler gut gebrauchen kann. Und BUFR-Daten werden natürlich auch benutzt, um Round-The-World-Regatten wie Vendée Globe zu beraten - allerdings ausgeschnitten für das Fahrtgebiet, weil es sonst über INMARSAT zu teuer wird.
Das Problem ist: Viele Apps benutzen bisher nur das amerikanische Wettermodell GFS (Global Forecasting System), das in der Verifikation nicht an der Spitze steht. Das beste Modell weltweit ist allgemein anerkannt (wegen der Verifikationsergebnisse) das Modell des ECMWF (Europäisches Zentrum für Mittelfrist-Wettervorhersage in Reading - keiner weiss allerdings, wo es nach dem BREXIT sein soll). In windy.com werden die Ergebnisse dieses Modells mit einer Auflösung von 13 km und das ICON-Modell des Deutschen Wetterdienstes (Auflösung 7 km) visualisiert. Die Form der Visualisierung ist sofort eingänglich: Windpfeile, Zahlen als Temperaturen, beliebig wählbare Positionen, alles animiert und als quasi Wetterfilm abspielbar.
Diese Daten sind das bestmögliche Produkt für den Segler. Man kann sehr weit "intelligent" in sein Fahrtgebiet hineinzoome - d.h., bei zunehmendem Zoom-Faktor erscheinen auch mehr Daten, die sonst nicht zu sehen sind. Vor allem topographisch beeinflusste Windfelder wie im Mittelmeerraum werden sehr gut wiedergegeben und können entsprechend für den Törn berücksichtigt werden.
Eine Törnberatung ist ja die Berücksichtigung des Windes, wie er zu verschiedenen Zeiten an der Position des Schiffes unter Berücksichtigung der wiederum windabhängigen Geschwindigkeit herrscht. Auch wenn man an Bord keinen Handy-Empfang hat - Törnwetter bis zu sieben Tagen ist sehr verlässlich und darüber hinaus zumindest so gut, dass man im Sinne der Seemannschaft gut beraten ist, die Vorhersage für wahr zu nehmen - alles andere ist schlechter! Auch wenn das abends in der Stammkneipe gern anders kolportiert wird - umso mehr, je besser der Ouzo schmeckt! Und somit sollte es möglich sein, ein Update der Vorhersage bei den Hafenaufenthalten durchzuführen.
Um mal ein anschauliches Beispiel der Vorhersagequalität zu geben: wer von München nach New York fliegt, kennt die typischen Durchsagen des Flugkapitäns: Herzlich willkommen an Bord, geschätzte Ankuftszeit (ETA) in New York 16:30. Die aktuelle Ankunftszeit überrascht jeden mitdenkenden Fluggast immer wieder, sie liegt typisch zwischen 16:28 und 16:32, mal von operationellen Gründen wie Warteschleifen abgesehen. Die Berechnung erfolgt natürlich mit der Fluggeschwindigkeit, Boeing 787 also Mach 0.86. Ob er mit dieser Geschwindigkeit pünktlich ankommt - hängt dann nur noch von den Windvorhersagen ab - und die sind halt gut. So ist es. So funktioniert Wettervorhersage.
Windy gibt es für Android, vermutlich auch für iOS und für Windows. Es sei jedem empfohlen, der sich ernsthaft für sein Törnwetter interessiert.
Weblinks:
ECMWF in Wikipedia
windy.com
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Das Prinzip der Wettervorhersage ist relativ einfach: Wir können das Wetter durch 6 Variablen beschreiben nämlich Druck, Temperatur, Feuchte und 3 Wind-Komponenten. Dann haben wir 6 Gleichungen, so dass jeder mit Kenntnis der Oberstufen-Mathematik sofort denkt: Das ist lösbar!
Die Gleichungen sind auch wohl bekannt, zum Beispiel Newton: Kraft = Masse * Beschleunigung. Kontinuitätsgleichung: Was in ein Volumen hineinfliesst, muss auch wieder herausfliessen. Erster Hauptsatz der Thermodynamik: Die Energie in einem geschlossenen System ist konstant. Thermische Zustandsgleichung für Gase, die den Zusammenhang zwischen den thermischen Zustandsgrössen beschreibt, also Druck, Volumen, Temperatur und Masse, Hydrostatische Grundgleichung, die die Druckabnahme mit der Höhe beschreibt.
Da durch diese Gleichungen auch zeitliche Änderungen beschrieben werden, geht es also ganz einfach weiter: Bestimme das Wetter am Sonntag um 00 UTC (Wetterbeobachtung, Radiosonde, Satellit, Flugzeug, Schiff) und berechne die Zustandsgrössen für H+24? bis H+240, also 10 Tage im Voraus. Das ist dann schon sehr interessant - bis zur Qualität von heute war es aber ein langer Weg!
Diese grundlegend neue Vorgehensweise der sogenannte Numerischen Wettervorhersage (NWV) geht auf Lewis F. Richardson 1921 zurück, der ein Gitter über Mittel-Europa legte und seine Studenten rechnen liess - für die 24-stündige Vorhersage brauchte er allerdings deutlich mehr als einen Tag, was keine Begeisterungsstürme auslöste: sozusagen eine Vorhersage für die Erinnerung.
Bezüglich des Rechenaufwandes: Richardson benutzte 1921 ein Gitter mit einem Abstand von 200 km und 4 Schichten in der Höhe. Heute rechnen wir mit einem Gitterabstand von 7 km global (lokal bis 2 km) in 90 Schichten: das ergibt 2.9 Millionen Gitterpunkte pro Schicht und bei 90 Schichten insgesamt 265 Millionen Gitterpunkte - da muss schon etwas gerechnet werden.
Für die Berechnung einer 3-Tages-Vorhersage mit den Methoden der NWV bräuchte man mit einem Taschenrechner mit 1 FLOP/s (FLOP = Floating Point Operation pro Sekunde) 32 Millionen Jahre. Der erste Computer in den USA, der berühmte ENIAC, hätte 6000 Jahre gebraucht. Mit einem ALDI-PC ginge das in drei Tagen, wir brauchen dafür beim DWD mit einem Super-Computer weniger als eine Stunde - das ist dann schon sehr interessant für alle, die vom Wetter abhängig sind - oder sich auch nur einfach dafür interessieren.
Wie bringen die Wetterdienste die Ergebnisse dieser Arbeit nun an den Kunden - den Segler, den Piloten und allen Wetter-Interessierten? Es gibt ein binäres Dateiformat namens BUFR, in das die Modellergebnisse geschrieben werden. An jedem Gitterpunkt stehen dann die berechneten Werte aller meteorologischen Parameter wie Windgeschwindigkeit, Temperatur, Druck, Feuchte, Niederschlag usw. Dieses BUFR-Format ist Grundlage vieler Apps in allen Betriebssystemen, in Android zum Beispiel Windfinder, Windguru oder ähnliche, die man als Segler gut gebrauchen kann. Und BUFR-Daten werden natürlich auch benutzt, um Round-The-World-Regatten wie Vendée Globe zu beraten - allerdings ausgeschnitten für das Fahrtgebiet, weil es sonst über INMARSAT zu teuer wird.
Das Problem ist: Viele Apps benutzen bisher nur das amerikanische Wettermodell GFS (Global Forecasting System), das in der Verifikation nicht an der Spitze steht. Das beste Modell weltweit ist allgemein anerkannt (wegen der Verifikationsergebnisse) das Modell des ECMWF (Europäisches Zentrum für Mittelfrist-Wettervorhersage in Reading - keiner weiss allerdings, wo es nach dem BREXIT sein soll). In windy.com werden die Ergebnisse dieses Modells mit einer Auflösung von 13 km und das ICON-Modell des Deutschen Wetterdienstes (Auflösung 7 km) visualisiert. Die Form der Visualisierung ist sofort eingänglich: Windpfeile, Zahlen als Temperaturen, beliebig wählbare Positionen, alles animiert und als quasi Wetterfilm abspielbar.
Diese Daten sind das bestmögliche Produkt für den Segler. Man kann sehr weit "intelligent" in sein Fahrtgebiet hineinzoome - d.h., bei zunehmendem Zoom-Faktor erscheinen auch mehr Daten, die sonst nicht zu sehen sind. Vor allem topographisch beeinflusste Windfelder wie im Mittelmeerraum werden sehr gut wiedergegeben und können entsprechend für den Törn berücksichtigt werden.
Eine Törnberatung ist ja die Berücksichtigung des Windes, wie er zu verschiedenen Zeiten an der Position des Schiffes unter Berücksichtigung der wiederum windabhängigen Geschwindigkeit herrscht. Auch wenn man an Bord keinen Handy-Empfang hat - Törnwetter bis zu sieben Tagen ist sehr verlässlich und darüber hinaus zumindest so gut, dass man im Sinne der Seemannschaft gut beraten ist, die Vorhersage für wahr zu nehmen - alles andere ist schlechter! Auch wenn das abends in der Stammkneipe gern anders kolportiert wird - umso mehr, je besser der Ouzo schmeckt! Und somit sollte es möglich sein, ein Update der Vorhersage bei den Hafenaufenthalten durchzuführen.
Um mal ein anschauliches Beispiel der Vorhersagequalität zu geben: wer von München nach New York fliegt, kennt die typischen Durchsagen des Flugkapitäns: Herzlich willkommen an Bord, geschätzte Ankuftszeit (ETA) in New York 16:30. Die aktuelle Ankunftszeit überrascht jeden mitdenkenden Fluggast immer wieder, sie liegt typisch zwischen 16:28 und 16:32, mal von operationellen Gründen wie Warteschleifen abgesehen. Die Berechnung erfolgt natürlich mit der Fluggeschwindigkeit, Boeing 787 also Mach 0.86. Ob er mit dieser Geschwindigkeit pünktlich ankommt - hängt dann nur noch von den Windvorhersagen ab - und die sind halt gut. So ist es. So funktioniert Wettervorhersage.
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