EUROPÄISCHES SEGEL-INFORMATIONSSYSTEM

Die Westindienreise des Segelschulschiffs "Großherzogin Elisabeth"
im Jahr 1906 - 07

Reisebericht des Kapitäns Richard Dressler
Auswertung der Manuskripte 10/2004
Richard Dressler - Walluf


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Das Schulschiff dockte vom 11. September 6 Uhr nachmittags bis zum 13. vormittags 8 Uhr zum Reinigen und Malen des Bodens sowie zum Nachsehen der Fingerlinge und Ösen des Ruders im alten Lloyddock in Bremerhaven. Der Schiffsboden wurde abgewaschen und von Ansätzen
Kapitän Richard Dressler   Großbild klick! gereinigt, darauf mit einem doppelten Anstrich mit Patentfarbe versehen. Die Untersuchung der Fingerlinge ergab, dass der zweite von unten um etwa 1 mm an der nach vorn liegenden Rundung, der dritte ebenso um 0,5 mm abgeschliffen war. Der Guss der einen Öse - die Ösen wurden vor der letztjährigen Auslandsreise 1905 / 06 ausgegossen - war gesprungen, der andere mehr oder weniger durch die Fingerlinge ausgeschliffen, wodurch sich wiederum das heftige Schlagen und Stoßen des Ruders während des letzten Teils der Sommerreise bemerkbar gemacht hatte. Der Ruderkopf, -schaft und das Blatt waren in Ordnung ebenso die Kupplung zwischen Kopf und Schaft, sodass ein Losnehmen und Lüften des Ruders, wodurch der Aufenthalt im Dock hätte verlängert werden müssen, nicht notwendig wurde.
Die Ruderösen wurden nach Herausschlagen des vorjährigen Gusses neu ausgegossen und die Fingerlinge dann mit einer ganzen Drehung um ihre senkrechte Achse eingesetzt. Nach Übernahme des Restes der Ausrüstung an Inventarien, Materialien, Proviant und Wasser verließ das Schulschiff am 15. September 8:30 Uhr morgens mit Hilfe zweier Schlepper den neuen Hafen von Bremerhaven und holte auf die Rhede, wo mit Hilfe des Vorstehers der Agentur der deutschen Seewarte die Kompensation der Kompasse nach Deckspeilungen vorgenommen wurde, wozu das Schulschiff zweimal von den Schleppern gedreht wurde.
11:40 Uhr nahm der Lloyd - Schlepper "Retter" das Schulschiff weserabwärts in Schlepp. Die Besatzung des Schulschiffes besteht aus dem Kapitän, 6 Offizieren - Haussen, Zürn, Krartke, Böhner, Wagner, Fredersdorf - dem Arzt Dr. Hartmann, Zahlmeister Eckhardt, 15 Stammmannschaften, 30 Kadetten, 9 Matrosen, 27 Leichtmatrosen und 123 Schiffsjungen, insgesamt 213 Mann !
Der Tiefgang des Schiffes bei Abgang war 16 Fuß vorn, 18 hinten.
Nach Passieren des Dwarsgats wurde der Schlepper entlassen, da das Schiff bei dem Südwind 5 bis 6 unter allen Segeln jetzt die weiteren Kurse weserabwärts liegen konnte und auch andererseits beim Drehen des Windes einen sicheren Ankerplatz erreichen konnte. Um 2:50 Uhr wurde Weser Feuerschiff in 2,5 sm Abstand passiert und 10 Minuten später, nachdem beigedreht war, der Weserlotse abgesetzt, worauf voll gebrasst wurde. Der Wind drehte nach Verlassen der Weser abflauend durch Südwest und West allmählich nach Nord mit heftigen Regengüssen, die Fortschritte waren so geringe, dass das Schiff erst um 8:00 Uhr abends r/w Nord 8 sm vor Norderney-Feuer stand. Die Mannschaft ging vorläufig in zwei Wachen, da mit den 39 neuen eingestellten Schiffsjungen der BB-Wache bei der unsichtigen böigen Witterung , die verschiedene Segelmanöver erforderte, nicht gerechnet werden konnte.

Der nächste Tag, Sonntag der 16. September, brachte für den Anfang der Reise wenig angenehme Witterung. Der Wind Nord gegen Mittag auf Nordwest und bis zum Abend auf West zurückdrehend, brachte außer in den Vormittagsstunden dauernden Regen, steife Böen, sodass die Bramsegel und vorübergehend sogar mehrere Male die Obermarssegel geborgen werden mussten. 8:18 Uhr morgens wurde Borkum Feuerschiff in geringem Abstand passiert, doch wurden auch weiterhin bei dem geschilderten ungünstigen Wind- und Wetterverhältnissen nur geringe Fortschritte erzielt, da gekreuzt werden musste.

Die schnell aufgekommene bewegte See, in der das Schiff hart stampfte und schlingerte, forderte ihre Opfer und man sah nicht allein die Neulinge mit qualvollem Gesicht Neptun Tribut spenden, sondern auch so mancher älterer Zögling strebte eiligst nach dem Ausguss mit der stillen Erkenntnis, dass die Seebeine sich den Tücken der Nordsee noch immer nicht recht anpassen wollten.

Montag den 17. September. Der Wind durchlief während des Tages alle Striche des Kompasses mit von 0 bis 6 wechselnder Stärke, doch konnte fast durchweg unter vollen Segeln Kurs bis zu 10 sm Fahrt in der Stunde gesteuert werden, sodass um 12:25 Uhr vormittags Terschelling Feuerschiff in drei Seemeilen Abstand passiert wurde. Gegen Abend fiel mit dem sich in Nordwest fest setzenden flauen Winde heftiger Regen.
Dienstag den 18. September. Der neue Tag fing mit einem Ausschiesser aus Süd mit Stärke 6 an, der kurz nach Mitternacht einsetzte. Zum Bergen der Bram-, Oberbram- und Obermarssegel und Halsen auf Steuerbordbug wurden beide Wachen aufgepfiffen. Der Wind drehte durch SO bis NO und wehte sehr bald in gleichmäßiger Stärke 5 bis 6, damit die willkommene Gelegenheit gebend, unter vollen Segeln mit durchschnittlich 10 sm Fahrt den südwestlichen Teil der Nordsee mit seinen gefährlichen Sänden auf geradem Kurs zu durchsteuern. Es war eine Freude zu sehen, wie das Schulschiff nicht allein die gleichen Kurs steuernden Segler in schlanker Fahrt überholte und achteraus ließ, sondern auch verschiedenen Dampfern vorbei lief. Um 10:50 Uhr vormittags wurde Galt Oper Feuerschiff in 9 Seemeilen querab gepeilt, 2:00 Uhr nachmittags wurde East Godwin Feuerschiff nahebei passiert und 4:46 Uhr konnte in 3/4 Seemeilen Abstand von Dover Pier das Unterscheidungssignal gesetzt werden.
Der Kanal war somit nach dreitägiger Reise erreicht und es konnte die Leistung des Schiffes als befriedigend angesehen werden, wenn man in Betracht zieht, dass während der ersten beiden Tage zum Teil ungünstige Witterungsverhältnisse und widrige Winde vorherrschten. Der heutige Tag brachte mit seinen günstigen Verhältnissen frischen Zug unter die Besatzung. Die zahlreichen Dampfer und Segler sowie verschiedene Feuerschiffe und nicht zum wenigsten die Straße von Dover boten darin gute Gelegenheit, den Sinn der Jungen für die Seefahrt zu wecken und sie über das Geschehen mit ausführlichen Erklärungen zu unterrichten. Die letzten Spuren der Seekrankheit verschwanden unter den neuen Eindrücken völlig.
Um 6:36 Uhr abends wurde dann Dungerness mit 2 sm Abstand, 9:36 Uhr Royal Sovereign Feuerschiff in 4,5 sm Abstand passiert; von letztem aus wurde der Kurs bei dem unverändert günstigen Wind mitten durch den Kanal genommen, um auf dem kürzesten Wege den Kanal zu durchsteuern, die stark befahrenen Gewässer unter der englischen, die starken Strömungen der französischen Küste vermeidend.

Mittwoch den 19. September; der Wind trieb aus NNO 4 - 6 vormittags das Schiff unter allen Segeln bis zu 13 Seemeilen vorwärts; nachmittags drehte er abflauend bis 2 auf Nordwest, ging aber am Abend zurück auf Nord auffrischend bis 4. Die kleinen Segel - Oberbram- und Stagsegel - wurden jeden Abend geborgen, einerseits aus Vorsicht, andererseits um die Jungen wieder an das Arbeiten in der Takelage im Dunkeln zu gewöhnen.
Am nächsten Tage, Donnerstag den 20. September, war der Fortschritt des Schiffes auf dem gesteuerten Kurs mit flauen nördlichen Winde, der zeitweilig bis zur Stille abstarb, nur gering; immerhin konnte jedoch am Nachmittage durch astronomische Beobachtungen das Verlassen des Kanals festgestellt werden, nachdem das Mittagsbesteck die starke Versetzung des Schiffes nach r/w N/O 26 sm durch Strömungen innerhalb des letzten Etmals ergeben hatte. Der flaue Wind und das jetzt unbeengte Fahrwasser gaben heute geeignete Gelegenheit, die neuen Jungen auf leicht rollendem Schiffe in Segelexerzieren zur Einzelausbildung zu unterrichten und sie zur Sicherheit in der Takelage heranzuziehen.
Am Freitag den 21. September setzte schon der in dieser Jahreszeit besonders an der portugiesischen Küste vorherrschende NO-lichte Wind, der deshalb als portugiesischer Passat bezeichnet wird, mit Stärke 3 ein, allmählich zunehmend bis 6 und sich am 23. in Böen bis 8 steigernd, um dann bis NNO drehend in gleichmäßige Stärke 5 bis 6 bis auf der Höhe von Madeira anzuhalten, wo er südlich davon in den eigentlichen NO Passat übergeht.
Mit diesem günstigen Winde wurden auf geradem Kurs nach Madeira gute Distanzen in den einzelnen Etmalen - vom 21. bis 22. 190 sm, 22. bis 23. 268 sm, 23. bis 24. 224 sm und vom 24. bis zum 25. 232 sm trotz zeitweilig namentlich des nachts geringer Segelführung erzielt. Am 23. und 24. stand eine grobe achterliche, oftmals hohe See, in der das Schiff schwer rollte.
Die Erfahrung, dass das leichte Schiff mit seinem Boden bei solchen Verhältnissen fast die gleichen Distanzen unter verminderter Segelführung heraussegelt, bestätigte sich wiederum. Es hätten gut und ohne zu pressen während dieser Tage mehr Segel geführt werden können, aber die auf Grund der Erfahrung erneuten Versuche durch zeitweises Setzen und Bergen der Bramsegel und selbst der Ober- marssegel ergaben durch häufiges sorgfältiges Loggen mit der Handlogge und durch genaue Kontrolle der Patentlogge, dass das Schiff mit verminderter Segelführung annähernd die gleiche Fahrt lief wie unter vollem Segeldruck.
Der Grund liegt wohl darin, dass sich das Schiff unter dem Druck der vollen Segelführung tiefer in die grobe See einwühlt und nicht so leicht aufrichtet, wodurch eine mehr sprunghafte Vorwärtsbewegung entsteht, während mit verminderter Segelführung leichtere Bewegungen entstehen, die ein stetiges Vorwärtsgleiten ergeben. Aber es gilt diese durch Konstruktion und Belastung bedingte Eigenschaft des Schiffes nur für diese Verhältnisse.

Am Dienstag den 25. September stand das Schiff nach dem Mittagsbesteck 113 sm r/w N 3/4 O von Porto Santo, der Madeira in NO vorgelagerten Insel; es wurden am Abend, nachdem noch ca. 75 sm zurückgelegt waren, alle Segel bis auf das Vor- stengestagsegel festgemacht und vor Top und Takel mit 4 bis 5 sm Fahrt vor dem Winde - NNO 5 - während der Nacht weiter gesteuert, bis am 26. morgens 2:00 Uhr Porto Santo gesichtet wurde, worauf nach Setzen der Fock- und Untermarssegel es um 4:00 Uhr westlich gesteuert wurde in 25 sm im Abstand von Madeiras Nordküste.
Die bis 4:00 Uhr morgens von Weser - Feuerschiff zurückgelegte Distanz betrug 1713,5 Seemeilen in 10 Tagen 14,6 Stunden und einer durchschnittlichen Fahrt von 6,7 sm in der Stunde.
Am Vormittag des 26. wurde unter der Nordküste von Madeira gekreuzt und Segel-exerzieren vorgenommen, nachdem in den vorrangehenden Tagen Rollenexer- zieren nach den neu aufgestellten Rollen stattgefunden hatte, um die Mannschaft mit den erhaltenen Stationen vertraut zu machen und sie darüber zu instruieren.
Nach Festlegen des Mittagsortes wurde bis 4:00 Uhr nachmittags zwischen Madeira und Porto Santo hindurch gesteuert und darauf Segelmanöver vorgenommen.
Nach "klar Deck" 5.30 Uhr abends wurde bei der warmen und milden Witterung gebadet an Oberdeck, wozu mit zwei Schläuchen Wasser gegeben wurde. Dieses Baden an Oberdeck, dass auf See, wenn die Witterung es irgend erlaubt, täglich vorgenommen wird, ruft unter den Jungen immer großen Jubel hervor und der wachhabende Offizier hat oft seine Mühe und Not, die Wasserfanatiker unter den Strahlen, die die Schläuche spenden, hervorzuholen, damit alle zu ihrem Recht kommen und die Pumpen abwechselnd besetzt werden können.
Am 27. wurde unter Vornahme von Segelmanövern mit leichten NNW- Winden östlich und südlich von Porto Santo gekreuzt und gegen Abend Kurs auf Fora- Island, einer kleinen Insel mit einem Leuchtturm an der Ostspitze Madeiras, genommen, die am 28. morgens 4:00 Uhr in 1 sm Abstand passiert wurde.
Darauf wurde mit NW 3 Wind in einem Abstand von 6 sm an der Südküste von Madeira entlang gesteuert, bis gegen 8:00 Uhr das Schiff durch das hohe Land völlig bekalmt wurde und in dem sehr klaren hellblauen Wasser steuerlos umhertrieb.
Funchal, die Hauptstadt Madeiras , war in der außerordentlich klaren Luft und bot mit seiner terrassenartigen Anlage, auf der jedes Haus zu sehen war, den steilen und dahinterliegenden bis zu 6000 Fuß hohen von Wolken überdeckten Bergzügen und -spitzen einen herrlichen und erfrischenden Anblick.
Als gegen Mittag östlicher Wind durchkam, wurde südlich gesteuert und um 3 Uhr östlich von Desertas, einer aus 3 Inseln bestehenden Gruppe, deren nördliche 10 sm südöstlich von Madeira liegt, beigedreht.
Der Tag wurde zur Reinigung und Instandsetzung des Schiffes für den bevorstehenden Hafenaufenthalt benutzt.
Mit Tagwerden am 29. wurden sämtliche Segel gesetzt und mit sehr flauem östlichen Winde der Kurs auf Funchal-Rhede , die 10 sm r/w N1/2 O entfernt lag, genommen; dem flauen Winde entsprechend kam das Schiff nur langsam vorwärts.
Die Küste lag in der wunderbar klaren Luft mit allen Einzelheiten anscheinend greifbar nah, die höchsten Gipfel traten von der klaren Morgensonne beschienen von Wolken unbedeckt plastisch auf dem tiefblauen Himmel im Norden hervor. Mit der gegen 10 Uhr vormittags aus SW einsetzenden Seebrise, die in Stärke unbeständig doch flau blieb, wurde das Schiff etwas schneller vorwärtsgetrieben, doch konnte erst um 1.04 Uhr nachmittags auf dem Ankerplatz vor Loo Rock zu Anker gegangen werden.

Madeira - Barbados 29. September bis 4. November

Der letzte Bericht schloss mit der Ankunft des Schulschiffes auf der Rhede von Funchal am Sonnabend den 29.September, auf der 3 Kabellängen von Loo Rock geankert wurde. Der Aufenthalt in Madeira wurde in diesem Jahr von den besten Witterungsverhältnissen begünstigt, sodass Tag für Tag eine energische Ausbildung im Bootsdienst betrieben werden konnte, neben den nach einem längeren Seetörn immer notwendigen Takelagearbeiten.
Ich machte dem kaiserlich deutschen Konsul Herrn Dr. Sattler, dem Zivilgouverneur und Militärkommandanten sowie dem Hafenkapitän in Begleitung des Konsuls meinen Besuch; diese Besuche sind mir persönlich erwidert worden.
Am Montag den 1. Oktober wurden um 12 Uhr mittags 156 Mann unter Führung von 5 Offizieren zu einem Ausflug ausgeschifft. Nach einem kurzen Marsche durch die Stadt wurde auf der Zahnradbahn die 2000 Fuss über dem Meer gelegene Kirche "Nossa Senhora do Monte" erreicht, von der aus sich einer der schönsten Ausblicke in der Welt bietet. Nach Einnahme einer Erfrischung wurde ein mehrstündiger Spaziergang auf den umliegenden Höhen und in den Tälern unternommen, auf dem den Zöglingen die schönsten Szenerien, die Kultur und Pflanzenwelt Madeiras gezeigt werden konnte. Am Abend fuhren die Ausflügler auf Schlitten zu Tal bis in die Stadt. Diese Schlittenfahrt auf den oft sehr steilen mit kleinen runden Steinen gepflasterten Strassen, auf denen es in rasender Fahrt etwa ¾ Stunde abwärts geht, bildet für die meisten Jungen den Glanzpunkt des Ausflugs; bis zu 20 und 30 auf einem Schlitten sitzend machen sie ihrem harmlosen aber unruhigen Übermute Luft in lautem Singen und Hurraschreien. Um 8 Uhr waren alle wieder ohne Unfall an Bord und erhielten Abendessen. Erst das gebieterische "Ruhe im Schiff" machte dem lauten Austausch der heutigen Erlebnisse und bestandenen Abenteuer auf fremden Boden ein Ende. Der I. Offizier Herr Haussen nahm sich mit dem Zahlmeister Herrn Eckhardt des Zustandekommens des Ausflugs und weiterhin auch der Leitung selbst besonders an. Die Kosten beliefen sich auf 3 Sh pro Kopf, von denen das Schiff die Hälfte aus dem Weihnachtsfond deckte; für viele Jungen, die eine Freistelle und kein ausreichendes Taschengeld haben, wurden die Kosten voll bezahlt.
Am Dienstag Nachmittag war ich mit 4 Offizieren vom deutschen Konsul zu Tisch geladen. Am Mittwoch unternahm Herr Zürn mit 23 Kadetten nochmals einen Ausflug nach dem hochgelegenen Rio Trio, von wo aus sich ein wundervoller Ausblick auf die wildromantischen Szenerien der höchsten Gipfel Madeiras bietet.
Am Donnerstag den 4. Oktober wurde der Leichtmatrose Niederstadt, der wie bereits im letzten Bericht erwähnt, am 25. September an schwerem Lungenkatarrh erkrankt war, ausgeschifft und durch Vermittlung des Konsuls dem Seemannshospital von Funchal zur weiteren Behandlung und Pflege übergeben. Niederstadt hatte schon früher ein viermonatliches Krankenlager mit einer Lungenentzündung überstanden und es war nach Ansicht des Arztes nicht ausgeschlossen, dass er, wenn dieser voraussichtlich längere Zeit dauernde Katarrh vorüber war, im Frühjahr einen Rückfall bekommen könnte. Herr Konsul Dr. Sattler nahm sich in freundlichster Weise des Kranken an und begleitete persönlich mit dem Arzt seine Überführung nach dem Hospital und versprach mir beim Abschied, aufs Beste für ihn sorgen zu wollen. Die für einen solchen Fall vorgeschriebenen Anweisungen wurden in vollem Umfange erledigt.
Während des Tages wehten flaue südliche Winde, sodass ich das Einsetzen der Landbriese, die gegen Abend nach Sonnenuntergang auftritt, abwartete, um unter Segel zu kommen. Als um 8 Uhr abends ein leichter nördlicher Wind - Landbriese - durchkam, der das Schiff allmählich dem Einfluss der Strömung unter Land entzog, wurde Anker gelichtet und alle Segel losgemacht; als der Anker auf und nieder stand, wurden die Segel im Kreuztop voll gesetzt, das Schiff segelte über den Achtersteven in freies Fahrwasser; an Steuerbord lag achteraus eine Kohlenhulk 2 Schiffslängen entfernt, an Backbord befand sich in einer Entfernung von 4 Kabellängen die nach Süden verlaufende Küste. "Frei von Allem" wurden die Segel im Vor- und Grosstop gesetzt und nach Steuerbord abgefallen "um auf Kurs" zu kommen. Das Manöver gelang, obwohl in der ab und zu gänzlich flauen Briese die Wirkung des starken Küstenstromes sich wiederholt bemerkbar machte. Je weiter sich das Schiff von der im hellen Mondschein liegenden Küste und damit aus der Bekalmungszone entfernte, desto frischer und stetiger wurde die Brise.

Mit frischem OSO Winde wurde am 5. Oktober der Kurs auf die kanarischen Inseln genommen in der Absicht, bei günstigem Winde zwischen den Inseln hindurchzugehen, um den Zöglingen den interessanten Pik von Teneriffa , der 12 000 Fuß aus der See aufsteigt, zu zeigen und dann weiterhin möglichst bald in das Gebiet des ständigen NO Passates einzulaufen, das die beste Gelegenheit gibt, alle Arten von Segelmanövern und -exerzieren vorzunehmen.
Am 6. Oktober morgens 4 Uhr wurde das Feuer von Cumplida Point, der östlichen Spitze der Insel Palma in 20 sm S 54° W gepeilt und um 8 Uhr in die Strasse zwischen Palma und Teneriffa eingelaufen. Teneriffa war leider so in Dunst und Wolken gehüllt, dass kaum die Küstenumrisse ausgemacht wurden, erst gegen Mittag klarte es für einige Stunden so weit ab, dass aus einer Entfernung von 15 sm der Pik in freier imposanter Erhebung zu sehen war, um 3 Uhr war er bereits wieder durch wallenden Dunst den Blicken entzogen. Der Kurs wurde jetzt zwischen Palma und Hierro hindurch, die klar und deutlich mit allen Einzelheiten zu sehen waren, in den offenen Ozean genommen.
Mit mässigem NO Winde wurde bis zum Dienstag den 9. Oktober WSW-lich gesteuert, der Wind holte jetzt flauer werdend südlicher und starb bald für mehrere Stunden gänzlich ab. Am 10. wurden mit Tagwerden 4 Schiffe gesichtet, die der flaue Wind und die Stille in dieser Gegend zusammengetrieben hatte, durch die der Seglerweg vom Kanal nach der Linie führt. Gegen Mittag an diesem Tag kam eine leichte Briese aus dem SO-Quadranten auf, die bis zum 15. Oktober anhielt.
Obwohl nach den Karten und Segelanweisungen das Schiff sich im Gebiet des NO-Passats befand, jedenfalls die nördliche Grenze des Passats in diesem Monat längst überschritten hatte, und hier in der östlichen Hälfte des Ozeans wohl mit einem mässigen aber stetigen und nördlicher als NO wehenden Passat zu rechnen hatte, war keine Spur des Passats zu bemerken, abgesehen von einer nördlichen u. nordöstlichen Dünung, die ab und zu auftrat. Mit flauen und leichten Winden aus SO , die selten bis O, häufiger aber bis S drehten, wurden Etmale zurückgelegt, die 100 sm kaum überstiegen.
Unter diesen Verhältnissen schien es mir geboten, erst einmal ohne vielen Aufenthalt durch Manöver, die ja bei der flauen Briese zu unsicher wurden und zu wenig anregend wirkten, aus diesem Gebiete hohen Luftdruckes heraus und weiter westlich zu kommen, um den auf der westlichen Hälfte des Ozeans frischen und mehr aus westlicher Richtung wehenden Passat zu erreichen.
Am 15. endlich schien sich die Hoffnung, einen stetigen und frischen Passat zu erhalten, zu verwirklichen; die Luft zog von ONO auf und bald wehte eine gleichmäßige Briese aus dieser Richtung in Stärke 4 und 5, doch war die Freude nicht von zu langer Dauer, am 18. nachmittags wurde der Wind unbeständig in Richtung und Stärke, am 19. drehte er südlicher als Ost und setzte um 10:30 Uhr abends sogar von Nordwest mit starken Regenschauern ein.
Am 20. morgens wehte es noch einmal für mehrere Stunden schwach aus dem Südost Quadranten, dann aber folgten im Logg-Buch für die Tage bis zum 24. Eintragungen über flaue und leichte westliche bis südwestliche Winde, die mit Stillen und Mallungen - umlaufende, flaue veränderliche Winde - sich abwechselten und häufige Regenböen brachten, die wenig Wind, aber nicht viel Wasser enthielten . Am 21. und 22. war es meist gänzlich still.
Am Donnerstag den 18. Oktober wurde den Zöglingen die Gelegenheit gegeben, an Stelle der Linientaufe die Feier der Wendekreistaufe wie alljährlich vorzunehmen, die natürlich erst mal nur bei den älteren Zöglingen große Freude hervorrief, die dann auch unter Leitung einiger Kadetten das unglaublichste an grotesken Aufzügen und Kostümen neben den althergebrachten Typen von Neptun Thetis und Triton leisteten. Die jungen neugierig gespannt auf das Kommende und doch wiederum eingeschüchtert durch die gruseligen Erzählungen ihrer älteren Kameraden sahen erst mit sehr gemischten Gefühlen dem großen Umzuge Neptuns zu, um dann nach den Ansprachen Neptuns und seines Stabes ins Zwischendeck verbannt ängstlich auf das Ertönen ihres Namens zu lauschen, welchem Rufe sie von Neptuns Wasserpolizei unsanft unterstützt blitzschnell Folge leisteten, um nach Einnahme von Reinigungsmedizin und derbem Bearbeiten durch den Barbier, innerlicher und äusserlicher Reinigung unversehens in ein tiefes Wasserbassin gestürzt, das aus Rahmen und Segeln hergestellt war, nach Tauchen durch kräftige Meeresgötter aus diesem als wirkliche und wahrhaftige Seeleute herauszusteigen.

Am 19. wurde der dänische Dreimastschooner " NLTK " von St Louis in Westafrika kommend und nach Laguna de Terminos bestimmt in 16 °24' N und 46° 6' West angesprochen und ihm auf Wunsch unser Schiffsort signalisiert. Am 21., 22., 23. und 24. war es fast durchgängig windstill, ab und zu ein flauer Zug aus irgend einer Richtung, der die Segel kaum füllte und immer nur kurze Zeit anhielt, die spiegelglatte See leicht kräuselnd. Am 25. morgens setzte endlich Wind aus östlicher Richtung ein, der zwischen Süd und Ost hin und her drehend mit einer Durchschnittsstärke 4 anhielt und sich in Böen, die gewöhnlich nach Sonnenuntergang auftraten, bis sechs steigerte. Am 28. abends 11:10 Uhr wurde Ragged Point - Feuer auf der Nordost Spitze von Barbados in S 65°O gesichtet und während der Nacht mit geringer Segelführung weiter gesteuert. Mit Tagesanbruch wurden Segel gesetzt und die Rhede von Bridgetown ( OSO Wind 3) angesteuert, auf der 7.20 morgens mit 35 Meter Wassertiefe geankert wurde.

Die durchsegelte Distanz betrug 2870 Seemeilen, die in 24 Tagen 14 Stunden mit einer Durchschnittsfahrt von 4,9 Seemeilen in der Stunde durchsegelt wurden. Die Reise stand unter dem Einfluss mäßiger und flauer Winde, die wenig Gelegenheit boten, Segelmanöver wie Wenden, Halsen, Boje über Bord zur Ausbildung der Offiziere und Mannschaften vorzunehmen. Die Aussicht, dass nach Durchsegeln der östlichen Hälfte des Ozeans in der westlichen frische Winde angetroffen würden, die bessere Fortschritte und damit einen Gewinn an Zeit für ausgedehnte Segelmanöver bringen würden, wurde arg getäuscht; die Winde waren auf der Seite des Ozeans noch flauer und vier Tage hindurch herrschte eine fast völlige Windstille; es gelang trotzdem, an dem festgesetzten Tage Barbados zu erreichen, und dies ist abgesehen von dem Eindruck, den das pünktliche Eintreffen des Schulschiffes hervorruft, besonders von Wert, da in diesem Jahre die Hafentage den Vorjahren gegenüber gekürzt sind.
Wenn nun auch die Ausbildung in den obengenannten Segelmanövern während der Reise infolge der wenig günstigen Windverhältnisse nicht in dem gewünschten Maße durchgeführt werden konnten, so ist dagegen an der seemännischen Einzel- ausbildung der Mannschaft besonders fleißig und mit Verständnis gearbeitet worden. Die Übungen in Segelmanövern mit " alle Mann" , die in erster Linie für die Ausbildung der Offiziere und dann auch für Kadetten dienen, werden während des nächsten Seetörns nachgeholt werden. Der Passatwind frischt in dieser Jahreszeit in Westindien mehr und mehr auf und erreicht seine größte Stärke im Januar und Februar. Der Aufenthalt in Barbados wird zur durchgreifenden Ausbildung im Bootsdienst und Rudern und namentlich mit Segeln benutzt, wofür die Rhede von Bridgetown außerordentlich geeignet ist, dazu ab und zu ein kurzes energisches Segel- exerzieren und täglich einmal Rudern über eine längere Distanz; daneben gehen die gewöhnlichen laufenden Arbeiten, die ein Hafenaufenthalt mit sich bringt und auch nur während eines solchen ausgeführt werden können, ein her. Das Interesse am Wettrudern, an dem alle Boote und alle Kategorien der Mannschaft teilnehmen, hat sich von Tag zu Tag gesteigert und es wird von den jeweiligen Bootsbesatzungen ein anerkennenswerter Eifer entwickelt, als erstes Boot durchs Ziel zugehen. Den täglichen Dienst schließt nachmittags um 5 Uhr ein Bad am Strande unter Aufsicht eines Offiziers ab, zu dem alle Leute bis auf die Division der Wache ausgeschifft werden; nach der Rückkehr werden alle Boote bis auf den Routinekutter geheisst.

Am Ankunftstage machte ich dem kaiserlich deutschen Konsul, Herrn Harnschell und in seiner Begleitung dem englischen Gouverneur Sir Gilbert Carter meinen Besuch; die Besuche wurden mir durch den Konsul selbst und durch den Sekretär des Gouverneurs erwidert.
Die Rhede von Bridgetown bietet zur Zeit ein Recht belebtes Bild täglich liefen bisher ein oder mehrere Segelschiffe, unter denen die norwegische Flagge am meisten vertreten ist, für Ordre an und setzten nach kurzem Aufenthalt die Reise fort; ebenso auch Dampfer neben den regelmäßigen Linien - am 31. Nov. lief auch der am 19. gesprochene Dreimastschooner wegen Proviantmangel ein - weiterhin liegen zwei norwegische Segelschiffe hier, die am 18. September in einem schweren Orkan in etwa 20 ° N und 40° W entmastet wurden. In diesem Jahre sind in den westindischen Meeresteilen häufige und vorherrschende Orkane während der Monate September und Oktober aufgetreten, die zahlreiche Schiffsunfälle zur Folge hatten. Noch 10 oder 12 Tage vor Ankunft des Schulschiffes in Barbados ist die ca. 200 Seemeilen südlich gelegene Insel Trinidad von einem Hurrican heimgesucht worden, dessen Anfänge sich, wie ich damals schon aus der Wetterlage und den Anzeichen mutmaßte, in der Nähe des Schulschiffes bildeten. Es wird also für die Reisen des Schulschiffes nach Westindien immer ein Gebot der Vorsicht sein, nicht vor Mitte oder besser Ende Oktober den westlichen Teil des atlantischen Ozeans in diesen Breiten zu durchsegeln und vor Anfang oder Mitte November westindische Häfen zu erreichen, da erst zu dieser Zeit die Gefahr, einem solchen Orkan zu begegnen, völlig vorüber ist. Der Gesundheitszustand war bisher ein recht günstiger. Die Belegung des Lazaretts wurde in einem Fall notwendig: der Schiffsjunge Brandt erkrankte am 5. Oktober an Leistendrüsenentzündung und musste ins Lazarett aufgenommen werden; bis zu seiner völligen Wiederherstellung werden von jetzt ab noch etwa drei Wochen vergehen, da gerade diese eitrigen Entzündungen längere Zeit im tropischen Klima bis zur Ausheilung dauern. Die Verpflegung ist bisher in Menge und Güte völlig hinreichend gewesen. Von Madeira wurden fünf Ochsen als Schlachtvieh mitgenommen, sodass auch auf See an drei Tagen in jeder Woche frisches Fleisch gegeben werden konnte.

Barbados - Domenica - Puerto Labello 5. November bis 11. Dezember

Über den Aufenthalt in Barbados habe ich noch zu erwähnen, dass außer dem zu Spaziergängen erteilten Urlaub der erste Offizier Herr Haussen in Begleitung von Herrn Böhner und dem Arzt Herrn Dr. Hartmann mit den Kadetten, Matrosen und Leichtmatrosen eines Abends einen mehrstündigen Spaziergang an der vom hellen Mondlicht beschienenen Südküste von Barbados unternahm.
Am Montag den 5. November, dem festgesetzten Abfahrttage, wurde die Rhede von Bridgetown verlassen. Das Untersegelgehen vom Ankerplatz aus war jedoch nicht ausführbar, da in den letzten Tagen mehrere Segelschiffe in solcher Nähe geankert hatten, dass dadurch bei dem herrschenden Winde SO 4 der Manövrierraum des Schulschiffes behindert war; es wurde deshalb der Warpanker mit 100 Metern Trosse ausgefahren und das Schiff nach hinten nach Hieven des Bugankers in freies Fahrwasser verholt; 3:40 Uhr nachmittags wurden mit Lichten des Warpankers Mars- und Untersegel gesetzt und mit südlichem Kurs die Rhede verlassen. Während der Nacht und am Nachmittage des 6. Novembers wurde an der Ostküste von Barbados unter Vornahme von Segelmanöver gekreuzt. Mittags wurde die Rhede wieder angesteuert und 1:30 Uhr nachmittags auf dieser beigedreht, um die Post an Bord zu nehmen, die der um 6:00 Uhr morgens von Europa eingetroffene Postdampfer gebracht hatte und die nach Verabredung der Konsul Herr Harnschell in seinem Boote längseits schickte.
Sie belief sich nur auf wenige Briefe und Karten, da der Postsack, der die Postsachen des kaiserlichen Hofpostamtes enthielt, nach Dominica adressiert und infolgedessen von der Postverwaltung nicht zu erlangen war.
2:15 Uhr wurde voll gebrasst und unter allen Segeln die Rede mit WNW-Kurs bei SO - Wind Stärke 4-5 wieder verlassen. Am Abend wurden zur Fahrtverminderung alle Segel bis auf das Untermarssegel geborgen.
Mit Tagwerden am 7. November wurde die Straße zwischen den Inseln S. Vincent und S. Lucia durchsteuert und mit nördlichem Kurs unter die Westküste von S. Lucia gesegelt, wo von 9:00 Uhr vormittags ab zur Vornahme von Segelmanövern gekreuzt wurde. Hierzu wurden alle Segel bis auf die Oberbramensegel gesetzt und mit SO 5 Wind bei mäßig bewegter See folgende Manöver ausgeführt: 1. 9:30 Uhr " Boje über Bord " , der Vortop wurde backgebrasst und der III. Kutter mit der I. Kutterbesatzung zu Wasser gefiert, 9:34 Uhr war die ca. 200 Meter abliegende Boje gefischt, vier Minuten später war das Boot geheisst und 9:40 lag das Schiff wieder auf Kurs. 2. 9:45 Uhr " Boje über Bord " , Achterraaen wurden backgebrasst und der III. Kutter mit der II. Kutterbesatzung zu Wasser gefiert, 9:49 Uhr war die ca. 200 Meter abliegende Boje gefischt, nach Heissen des Kutters lag das Schiff 9:55 Uhr wieder auf Kurs.
3. 10.02 Uhr " Boje über Bord " ; die Vorraaen wurden back, die Achterraaen vierkant gebrasst, der III. Kutter mit der III. Kutterbesatzung wurde zu Wasser gefiert. Das Schiff nahm mit einer einfallenden leichten Böe schnell Fahrt achteraus auf und wurde mit Vorsegeln und Besan durch Abfieren und Anholen der Schoten auf die ca. 300 Meter abliegende Boje zugesteuert und durch Vollbrassen des Vortops zum Stehen gebracht. Durch das ungeschickte Steuern des Bootskadetten, der entgegen der ihm erteilten Instruktion: " beim Fischen der Boje von der Kurslinie des Schiffes abzudrehen", die Kurslinie zweimal kreuzte, geriet das Boot unter das Heck des Schiffes, das noch etwas Fahrt achteraus hatte, stieß mit der BB-Seite gegen das Ruder und kenterte. Die Besatzung stürzte ins Wasser, wurde aber ohne weiteren Unfall mit den ihnen von Deck aus zugeworfenen Enden und Bojen und in der am Heck hängenden Jolle, die bis zur Wasserlinie gefiert wurde, sowie durch den sofort mit Leichtmatrosen bemannten und zu Wasser gefierten IV. Kutter geborgen. Der III. Kutter nebst dem umhertreibenden Inventar, von dem der Bootsanker verloren gegangen war, wurde geborgen und an Deck gesetzt; die Untersuchung ergab eine beträchtliche Reparatur; durch den Anprall gegen die scharfe Kante des Ruderblattes waren mehrere Planken gebrochen und einige Rippen eingedrückt.
Von 12:00 Uhr mittags ab wurde in ca. 6 Seemeilen Entfernung an der Westküste von S. Lucia nördlich gesteuert und von 4 bis 5:30 Uhr nachmittags die Segelmanöver fortgesetzt: es wurde zweimal gehalst und darauf " Segel bergen," "Segel setzen" und "Segel bergen" bis auf die Untermarssegel ausgeführt, nach Beendigung der Manöver wurde westlich der Straße zwischen S. Lucia und Martinique beigedreht.
Donnerstag den 8. November. Mit Tagesanbruch wurden alle Segel bis auf Oberbramsegel gesetzt und unter der Westküste von Martinique gesteuert, an der um 6:00 Uhr morgens auf der Höhe von S. Pierer gehalst wurde. Von 9:00 Uhr vormittags ab wurden die gestern in Folge des Bootsunfalles abgebrochenen Segelmanöver zur Rettung von Menschen und Bergen von Gegenständen auf hoher See fortgesetzt, um nicht allein den Offizieren, mit denen ich die einzelnen Manöver durchsprach, den Wert schnellen Handelns durch geeignete Manöver zu veranschaulichen, sondern auch die Zöglinge, die von den Offizieren instruiert wurden, zur Gewandtheit und Sicherheit in der Bedienung der Takelage und besonders des Rettungsbootes auszubilden. Die Manöver wurden mit einer Wendung begonnen; der Wind war Ost 4 böig, die See mäßig bewegt. Nach der Wendung wurden die drei Arten von Manövern, wie gestern geschrieben, mit anderen Kutterbesatzungen wiederholt; zwischen diesen Manövern wurde plötzlich Feueralarm zur Übung angeschlagen, wobei die eine Wache zum Segelbergen, die andere zum Feuerlöschen befohlen wurde; die anfängliche Überraschung und Verwirrung löste sich schneller als erwartet und schon drei Minuten nach dem ersten Ertönen des Alarms konnte Wasser gegeben werden. Um 11:20 Uhr wurden die Manöver beendet und mit südlichem Kurs an der Küste entlang gesteuert; 2:00 Uhr nachmittags wurde mit beiden Wachen gehalst, da der Wind inzwischen bis Stärke 7 zugenommen hatte und die Küste bei Fort de France, der Hauptstadt der Insel Martinique, angesteuert ; 3 sm von deren Rhede entfernt, auf der mehrere Kriegsschiffe lagen, wurde auf nördlichem Kurs gegangen und in 1 sm Entfernung an der Küste entlanggesteuert. Um 4:00 Uhr nachmittags wurde das durch Erdbeben und den Ausbruch des Mont Peler zerstörte S. Pierer erreicht; der günstige Wind und die genügende Wassertiefe gestatteten hier 1/2 bis 3/4 sm vom Strande mit geringer Fahrt entlang zu steuern, sodass die Besatzung die zerstörte Stadt und den Vulkan mit seiner durch Lava und Feuer völlig zerstörten Westseite sowie die Trümmer der in weitem Umkreis vernichteten Ortschaften sehen konnte; gegen Sonnenuntergang wurde der Gipfel des Vulkans frei von Wolken und die aus den Flanken des Kraters aufsteigenden Dämpfe und Rauchwolken konnten deutlich beobachtet werden.
Während der Nacht wurde mit geringer Segelführung die Straße zwischen Martinique und Dominica überschritten und am 9. November mit flauen östlichen Winden, die mehrfach von Stillen unterbrochen wurden, in einem Abstande von 8 bis 12 sm unter der Westküste von Dominica gekreuzt. Während der folgenden Nacht wurde beigedreht.
Mit Tagesanbruch am Sonnabend den 10. November wurde nach Setzen sämtlicher Segel der Kurs auf die Iles des Saintes genommen und von dort nach Guadelupe gesteuert; mittags stand das Schiff 2,5 sm von Basse - Terre, der größten Stadt an der Westküste der Insel, ab. Am Nachmittage wurde nach der Westküste der Insel Dominica zurückgekehrt und während der Nacht an dieser beigedreht.
Am Sonntag den 11. November wurde mit Tagwerden die im nördlichen Teil von Dominica gelegene Prince Rupert Bai angesteuert mit der Absicht, schon heute einzulaufen. Ich hatte mich hierzu entschlossen, um am nächsten Morgen mit den für diesen Hafen bestimmten und notwendigen Arbeiten in der Takelage und am Schiffe beginnen und die volle Woche ausnutzen zu können. Fünf Seemeilen südwestlich von der Bai stehend wurde zunächst mit östlichem Winde Stärke 4 in die Straße zwischen Dominica und den Iles des Saints hineinge- segelt, um dann nach einer Wendung von Norden kommend mit raumem Wind so dicht wie möglich unter Land den die Bai im Norden begrenzenden Bluff zu umsteuern und so mit möglichst viel Luv in diese selbst zu gelangen, die in nord- südlicher Richtung zwei Seemeilen lang und in westöstlicher eine tief ist. Das Manöver gelang gut, trotzdem mehrere z. T. recht schwere Böen, die von der Nordspitze der Insel hernieder brausten, das vorübergehende Bergen selbst der Obermarssegel notwendig machten; um 7:30 Uhr morgens wurde der Bluff in geringem Abstand gerundet und das Schiff lief über StB - Bug in die Bai ein, in der durch die verschiedenen Täler, die zwischen den bis zu 4000 Fuß hohen Bergen liegen, recht unbeständige Winde und heftige Böen wehten. Bald segelte das Schiff beim Winde liegend einen Kurs, der das Erreichen des Ankerplatz mit dem nächsten Schlage möglich erscheinen ließ, bald trieb es von einem Berge bekalmt in Stille, um im nächsten Augenblick von einer drei bis vier Strich Raum oder schral einsetzenden Böe vorwärts gejagt, um so nahe wie möglich unter Land ein schnelles und sicheres Manöver notwendig zu machen. Die herrschenden Verhältnisse ausnützend gelang es mit vier Schlägen den in den Segelanweisungen und Karten angegebenen Ankerplatz vor dem Ort Portsmouth zu erreichen, auf dem 10:48 Uhr vormittags in 35 Meter Wasser der Anker nach einem anstrengenden Vormittage fiel.
Der Ankerplatz wurde am 14. durch Warpen um 2 3/4 Kabellängen in nordöstlicher Richtung verlegt, da das Schiff vor dem Ausgange eines tiefen Tales liegend, das die ganze Insel von Osten nach Westen durchschneidet, durch die aus diesen hervorbrechenden Böen nicht allein vor dem Anker sehr heftig gierte, sondern auch durch diese die Arbeiten in der Takelage unangenehm gestört wurden.
Die von Barbados vorausgeschickte Post wurde hier an Bord geliefert. Die Postverbindung von hier aus ist eine recht ungünstige; die Royal Mail S.S.co unterhält wohl einen kleinen Küstendampfer, der an den alle 14 Tage in Barbados ankommenden und von dort abgehenden Postdampfer Anschluss haben soll, doch ist diese Verbindung nicht regelmäßig und dann werden die Briefschaften von und nach Roseau, dem Hauptort der Insel in Ruderbooten geschafft, um von dort mit "opportunity" weiterbefördert zu werden, sodass man über ihren Weg und über ihr Schicksal eigentlich recht im Unklaren ist.
Mit dem Morgen des 12. November wurde eine Reihe von Instandsetzungsarbeiten begonnen, für deren Erledigung ich eine Arbeitsroutine aufgestellt hatte, die bei der möglichsten Ausnutzung der Zeit auf die eingehende Belehrung und praktische Anwendung in seemännischen Arbeiten abzielte. Zu diesem Zwecke ließ ich den theoretischen Unterricht der Kadetten und Schiffsjungen während dieser Arbeiten gänzlich ausfallen.
Die Arbeitsroutine wurde zeitlich so eingehalten, dass nach dem Frühstück, das von 6:00 bis 6:30 Uhr morgens dauerte, bis 11:30 Uhr ununterbrochen gearbeitet wurde, und dann nach anderthalb stündiger Mittagspause von 1:20 Uhr bis 4:00 Uhr nachmittags die Arbeiten fortgesetzt wurden. Nach der dann folgenden Kaffeepause wurden sämtliche Leute bis auf die Division der Wache zum Baden nach dem nahen Strande ausgeschifft, der neben dem Baden Gelegenheit zum Spielen bot und von den Jungen allabendlich mit großer Freude benutzt wurde, um ihren durch Dienst und Arbeit notwendigerweise gedämpften Übermut die Zügel schließen zu lassen. Nach der Rückkehr wurden 6:00 Uhr abends sämtliche Boote geheisst.
An Arbeiten selbst wurden ausgeführt: Bram- und Oberbramraaen an Deck (gelegt) und versehen; die Bramstengen wurden an Deck genommen und einer gründlichen Besichtigung unterzogen, die keine Mängel ergab; sämtliche Wantschrauben wurden gelöst und frisch versehen, die Taljen der Pardunen losgenommen und wo nötig erneuert; die Fallen- und Schotenketten überholt; Fuß-, Spring und Hand- pferde nachgesehen; Blöcke und Taljen versehen; das stehende Gut nachgesehen und nach dem Aufbringen der Stengen frisch angesetzt; die Bootsdavits wurden geliftet und abgestochen; außenbords wurde, wo nötig, Rosts gestochen. Neben diesen Hauptarbeiten laufen natürlich eine Menge kleiner einher, so wurden u.a. die Hängematten gewaschen, wozu ebenso wie zu der regelmäßig stattfindenden Zeug -wäsche das Wasser aus einem Fluss in Booten herbeigeschafft wurde.
Leider wurden die Arbeiten durch jeden Tag auftretende Regenböen verzögert, an zwei Tagen mussten sie wegen anhaltenden Regens gänzlich unterbrochen werden, sodass sie erst mit Ende der zweiten Woche, in der außerdem der Bußtag fiel, abgeschlossen wurden. Trotz der vielseitigen Arbeitstätigkeit konnte außerdem die Ausbildung der Schiffs- jungen besonders in Segelnähen - die abgeschlagenen Segel wurden nachgesehen und ausgebessert - sowie im Bootsdienst namentlich im Rudern im Dingy und Wricken gefördert werden. Der gut ausgebildeten Musik wurde dreimal Gelegenheit gegeben, ihre Weisen an Land zur allgemeinen Freude der Bevölkerung hören zu lassen.
Außer dem an den Sonnabend - und Sonntagnachmittagen und den Feiertagen erteilten Urlaub wurde unter Führung von Herrn Fredersdorf ein Spaziergang der Jungen nach der etwa 5 sm entfernten Tucasi-Bucht unternommen, der sowohl durch den inmitten tropischer Vegetation über Berg und Tal führenden Weg, als auch durch den Aufenthalt in der idyllisch gelegenen kleinen Bucht, in der natürlich gebadet wurde, recht anregend wirkte.
Am Freitag den 16. November wurde der Geburtstag seiner königlichen Hoheit des Grossherzogs feierlich begangen durch Musterung in Paradeanzug und Gottesdienst, nach dem ich eine Ansprache an die Besatzung hielt, die mit einem dreifachen Hurra auf seine königliche Hoheit schloss, worauf "Heil Dir o Oldenburg" mit Musikbegleitung gemeinschaftlich gesungen wurde. Am Vormittag fand ein Wettsegeln der Kutter unter Führung der Kadetten statt, dessen dreiseitige Bahn 2,6 sm betrug und bei den hiesigen Windverhältnissen den Bootsteuerern reichlich Gelegenheit bot, ihre Geschicklichkeit und seemännische Veranlagung darzutun. Als erstes Boot ging der mit Kadetten besetzte Kutter IV nach einer Stunde und 14 Min. durchs Ziel.
Am Mittage vereinigte ein gemeinsames Festmahl die Offiziere und mich im Salon der Kajüte, nach Eintritt der Dunkelheit fanden auf einer auf dem Oberdeck errichteten Bühne Theateraufführungen statt.
Der letzte Tag des Aufenthaltes brachte noch eine unangenehme Überraschung; vormittags gegen 9:00 Uhr setzten nach einem trüben regnerischen Morgen Böen in Stärke 8 bis 9 ein, die das Schiff auf den bisher geschützten Ankerplatz mit dem Anker um etwa eine Schiffslänge vertrieben, der StB Anker mit 45 Faden Kette wurde fallen gelassen und auf BB Anker 74 Faden Kette gegeben, worauf das Schiff stetig und sicher lag. Am Nachmittage wurde es flauer und gegen Abend fiel ein wolkenbruchartiger Regen, der etwa eine Stunde anhielt. Die Prinz Rupert Bai wird bei den Reisen des Schulschiffes nach Westindien für einen längeren Aufenthalt immer zu empfehlen sein. Der geschützteste Ankerplatz in dieser Jahreszeit ist nordwestlich von der vor dem Orte Portsmouth gelegenen Pier möglichst nahe, etwa zwei bis drei Kabellängen vom Strande. Im Allgemeinen sollen zwar im November und Dezember die Böen Stärke 6 nicht überschreiten, doch würde ich nach der diesjährigen Erfahrung raten, das Schiff von vornherein vor beide Anker zu legen; ein Unklarkommen der beiden Ketten ist kaum zu befürchten, da der Wind stetig zwischen NO und O weht und die Strömung in der Bai auch nicht bei Windstille nennenswerten Einfluss auf die Lage des Schiffes hatte. Die Bai, die ab und zu von Kriegsschiffen, selten von Handelsfahrzeugen mit Ausnahme der kleinen Küstensegler besucht wird, bietet zu Exerzitien jeder Art gute Gelegenheit.
Mittwoch den 28. November nachmittags 4:00 Uhr wurde mit auffrischendem östlichen Winde in Stärke 4 Anker gelichtet, die Segel mit Ausnahme der Ober- bramsegel gesetzt und die Bai verlassen.
Der Kurs wurde zwischen den der Küste von Venezuela vorgelagerten Inseln Blanquilla und Orchilla hindurch genommen, um etwas östlich von La Guayra die Küste selbst anzusteuern und an dieser entlang nach Puerto Cabello zu segeln. Am 29. wehte der Passat frisch von OSO und Ost, mit dem das Schiff unter allen Segeln bis zu 10 sm die Stunde lief; es wurden nun, nachdem am Vormittag topweise Segelexerzieren stattgefunden hatte, am Nachmittage alle Segel bis auf die Untermarssegel geborgen, um nicht zu früh nach Puerto Cabello zu kommen.

Am 30. November und 1. Dezember wehte der Passat in mäßiger Stärke, trotzdem wurde die Segelführung beibehalten, um nun bei dem trockenen Wetter das Labsalben des stehenden Gutes vorzunehmen, dass in Dominica wegen der täglichen Regenschauer immer wieder hinausgeschoben war.
Sonntag den 2. Dezember war mit Tagesanbruch die venezolanische Küste in Sicht, mittags stand das Schiff etwa 10 Seemeilen davon ab. Der Wind flaute gänzlich ab und am Abend trieb das Schiff in Windstille. Die Segelanweisungen und auch später mündlich erhaltene Auskunft sprechen in dieser Jahreszeit von einem frischen Passatwinde, durch den auch der an dieser Küste nach Westen setzende Strom eine bedeutende Stärke erreicht, doch war heute und am folgenden Tage nichts davon zu merken; Windstille wechselte mit flauen Winden aus verschiedenen Richtungen, die ausgenutzt wurden und viele Segelmanöver nötig machten. Westliche Versetzung durch Strom wurde beobachtet. Dabei herrschte eine drückende Hitze und die Temperatur erreichte den bisher auf See höchsten Stand mit 33,5 Grad Celsius mittags im Schatten.
Am 3. abends wurde das Feuer von Guayra in SSO etwa 10 sm ab gepeilt. Am 4. morgens kam leichter WSW- Wind durch, der im Laufe des Tages nach WNW und am Abend nach NO drehte, aber Stärke 3 nur für wenige Stunden erreichte. Nach Dunkelwerden wurden die Feuer von Puerto Cabello gesichtet und auf BB Bug beigedreht, um nicht vor Tagesanbruch den unbekannten und mit wenig zuverlässigen Landmarken versehenen Hafen anzusteuern. Während der Nacht kam gegen 2:00 Uhr mäßiger SO Wind durch, der am Morgen des 5. November durch Süd bis WSW und WNW drehte; mit Tagwerden wurden sämtliche Segel gesetzt und unter der Küste gekreuzt.
Um 1:00 Uhr nachmittags drehte der Wind, flauer werdend, auf N und später auf NO, sodass jetzt mit günstigem Winde in die an der Spitze der Stadt liegende 1 1/4 sm breite und 1 sm tiefe Bucht gesteuert werden konnte, in der 4:50 Uhr nachmittags gegenüber dem Fort Libertador drei Kabellängen vor der Hafeneinfahrt mit BB Anker und 30 Faden Kette in 19 Meter Wasser geankert wurde.
Eine halbe Stunde nach dem Ankern machte ein Komplimentieroffizier im Auftrag des Kommandierenden der venezolanischen Kriegsmarine, deren Hauptstation und Werft sich hier befindet, einen Besuch und bot jedwede Unterstützung an.
Das Absenden des vorgeschriebenen Telegramms auf direktem Wege von hier aus war nicht möglich, da die Kabelstationen, die in französischem Besitz sind, seit längerer Zeit von der venezolanischen Regierung geschlossen sind. Es wurde deshalb das Telegramm mit einem amerikanischen Dampfer, der am 7. nachmittags den Hafen verließ, an das deutsche Konsulat in Curacao mit der Bitte um Aufgabe dort und Einziehung der Kosten vom deutschen Schulschiffverein gesandt.
Am Donnerstag den 6. Dezember vormittags machte ich dem kaiserlich deutschen Konsul Herrn Tiede einen Besuch und in seiner Begleitung besuchte ich den Kommandierenden der Marine Kapitän Chalband, den Zolldirektor und den Zivilgouverneur. Ich wurde von den Herren sehr freundlich aufgenommen und dem Schulschiffe wurde von ihnen jede gewünschte Unterstützung zugesagt. Die Besuche wurden sämtlich erwidert. Am 7. abends war ich mit zwei Offizieren vom Konsul zum Diner eingeladen.
Sogleich nach dem Ankern waren sämtliche Segel abgeschlagen worden und in den beiden nächsten Tagen wurden die Masten und Raaen, an Oberdeck sowie im Zwischendeck gemalt. Nach den von Bremen erhaltenen Weisungen, das Eintreffen des Dampfers Chemskia der H.A.L. abzuwarten, auf dem sich der vor Eintritt der Auslandsreise erkrankte und zurückgelassene Schiffsjunge Marcussen befand, wurde die für den 8. angesetzte Abreise verzögert, da der Dampfer nicht vor dem 11. hier erwartet wurde.
Am Sonnabend den 8. Dezember vormittags wurde das Schiff nach Übereinkunft mit dem Zolldirektor zur Übernahme von Frischwasser an die Pier geholt, da diese in den nächsten Tagen frei von den regelmäßig hier anlaufenden Dampfern blieb. 9:15 Uhr vormittags, nachdem ein französischer Postdampfer den Liegeplatz an der Pier verlassen hatte, wurde zunächst durch Warpen der Ankerplatz des Schiffes bis an die Hafeneinfahrt verlegt. Der Hafen wird gebildet durch eine Reihe niedriger Inseln, die der Stadt getrennt durch eine an der Pier 90 Meter breite Wasserstraße im Norden und Osten vorgelagert sind; die Einfahrt ist etwa 350 Meter lang und 150 Meter breit und wird an beiden Seiten durch unter und über Wasser liegende Steine eingesäumt; ein zeitweilig starker Strom läuft aus dem Hafen heraus und biegt in der Einfahrt über die dort liegenden Steine in den südlichen Teil der Bucht um. Beim Einholen der Warpankertrosse brach diese von einem am Grunde liegenden scharfen Steine durchschnitten, doch hatte das Schiff so viel Fahrt, dass der von vornherein in Aussicht genommene Ankerplatz vor der Hafeneinfahrt erreicht wurde; darauf wurden vom Heck aus nach beiden Seiten hin Trossen aus- gefahren und das Schiff mit dem Heck voran durch die Einfahrt in den Hafen und an die Pier geholt, ein Anker wurde dabei dicht an den Grund gefiert, um beim Ausschlagen des Bugs durch den Strom das Schiff sofort durch Fallenlassen des Ankers festlegen zu können. Der flaue NO Wind kam dem Manöver dabei sehr zustatten, das trotz der geringen Hilfsmittel an Pollern und sonstigen Einrichtungen - Warpbojen sind nicht vorhanden - sicher gelang. Um 12:38 Uhr war das Schiff längseits der Pier und wurde festgemacht. Wie mir versichert wurde, ist das Schul- schiff das größte Segelschiff, dass je an der Pier gelegen hat, da der Hafen sonst nur von kleinen Segelfahrzeugen und den regelmäßig anlaufenden Dampfern benutzt wird, deren Kapitäne immer über den in der Einfahrt herrschenden Strom klagen sollen. Der verlorene Warpanker mit der gebrochenen Trosse wurde sogleich nach Festmachen des Schiffes durch Herrn Böhner und eine Kuttermannschaft geborgen.
Im Laufe des Nachmittags und an den folgenden Tagen wurden im Ganzen 77 tons Frischwasser aus der Wasserleitung, deren Reservoir in den Bergen liegt, entnommen. Die nötigen Druckwerke und Schläuche, um das Wasser in die Wassertanks des Schiffes zu pumpen, wurden entgegenkommenderweise von dem Agenten der H.A.l. kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Druckwerke wurden von der Mannschaft bedient. Das Wasser ist von sehr guter Qualität und wurde kostenlos geliefert.
Am Sonntag den 9. Dezember nachmittags war das Schiff zum Besuch freigegeben und wurde von den hier ansässigen etwa 30 bis 40 Deutschen und dem besseren Teil der venezolanischen Bevölkerung besucht. Von 4:15 Uhr bis 15:30 Uhr nachmittags spielte die Musik auf dem in der Nähe des Schiffes liegenden Paradeplatz und erfreute sich einer großen Zuhörerschaft. Nach dem Konzert wurden die Musiker auf Bitte des Vorsitzenden des deutschen Klubs im Klubgebäude mit Butterbroten und Bier bewirtet und spielten dort noch einige patriotische Lieder und Stücke.
Am Montag den 10. Dezember 6:00 Uhr morgens wurde von der gesamten Mannschaft mit Ausnahme der Posten und Kranken unter Führung der Herren Haussen, Zürn, Krartke und Böhner ein Ausflug nach dem Orte ST. Esteban unternommen, der in einem reich bewaldeten und kultivierten Tale hinter der ersten Bergkette liegt, die sich parallel der Küste hinzieht. Der Marsch dorthin wurde in 1 1/4 Stunde zurückgelegt, nach der Ankunft zerstreuten sich die Teilnehmer unter Führung der Offiziere in einzelne Gruppen, um die Schönheiten der Landschaft, die Anpflanzungen von Kaffee, Kakao u. a. sowie die Anlagen der Wasserleitung zu besichtigen ; nach dem Versammeln bei einer von den Deutschen unterhaltenen Wirtschaft wurde in dem nahen Fluss ein Bad genommen und Früchte, die vordem von der Schiffsverwaltung bestellt waren, als Erfrischung gegeben; darauf wurde der Rückmarsch angetreten, der 11:15 Uhr auf der Pier endete. Am Nachmittage wurden die Segel untergeschlagen und das Schiff seeklar gemacht, da mittlerweile die Nachricht gekommen war, dass der genannte Dampfer am nächsten Vormittage eintreffen werde.
Als lebender Proviant wurden drei Ochsen eingeschifft, deren Übernahme wegen der ungestümen Wildheit der Tiere Schwierigkeiten machte. Die Fleischpreise in Puerto Labello sind billig, das Fleisch ist gut - Rindfleisch per Pfund 42 Ct, Hammelfleisch per Pfund 63 Ct - ; es wird von hieraus lebendes Vieh in großen Mengen besonders nach Kuba verschifft. Früchte sind in Menge und billig zu erhalten, frische Gemüse nur in geringen Quantitäten.
Puerto Cabello ist in dieser Jahreszeit zum Hafenaufenthalt für das Schulschiff zu empfehlen. Die Ansteuerung bietet bei Tage keine Schwierigkeiten, der Ankerplatz ist sicher und geschützt vor den herrschenden Winden und die Bucht gibt gute Fahrgelegenheit zur Ausbildung im Bootsdienst. Frischwasser ist kostenlos zu erhalten, muss aber , da Wasserboote nicht vorhanden sind, an der Pier genommen werden; die Hafen- und Stadtbehörden waren in jeder Weise entgegenkommend. Krankheiten sind selten, Fieber ist in den letzten 10 Jahren nur vereinzelt aufgetreten.
Am Morgen des 11. Dezember lief der Dampfer " Chemskia" ein und ankerte auf der Rhede. 6:30 Uhr morgens wurden beide Wachen zum Manöver ausgepfiffen und das Schiff durch Warpen auf die Rhede verholt. Hierzu wurden 600 Meter Trosse ausgefahren und das Schiff mit so viel Fahrt wie möglich durch die Hafeneinfahrt in freies Wasser geholt: durch Heckleinen wurde es dabei so lange in der richtigen Lage gehalten, bis das Heck mit Sicherheit frei von den Steinen war. Nachdem zwei Kabellängen außerhalb der Hafeneinfahrt geankert war, wurde der Warpanker zum zweiten Mal ausgefahren und das Schiff um weitere 3 1/2 Kabellängen verholt, um ein glattes Aussegeln zu haben. Um 9:56 Uhr waren die Manöver beendet und es wurde nach dem Aufklaren ein kurzes Segelexerzieren vorgenommen.
Die "Chemskia" war inzwischen an die Pier gegangen. Der Schiffsjunge Marcussen, der sehr wohl aussah, wurde, nachdem er von dem Dampfer ab- gemustert war, eingeschifft und angemustert. Die letzten Formalitäten mit dem Konsulat waren um 4:00 Uhr nachmittags erledigt und das Schiff lag seeklar, doch musste ich von der Abreise wegen des ungünstigen NNO-Windes, der das Kreuzen aus der Bucht heraus und frei von den Inseln aussichtslos machte, vorläufig Abstand nehmen und beschloss, erst am nächsten Morgen mit der dann herrschenden Landbriese, die gewöhnlich in den späten Abendstunden einsetzte und frischer werdend bis 10:00 Uhr morgens anhielt, in See zu gehen.

Pto. Cabello - St. Thomas 12. Dezember bis 24. Dezember

Bei Aufstellung des Reiseplanes war ich von der Ansicht ausgegangen, von Pto Santos nach St Thomas gegen den NW Passat, der im Monat Dezember mit der Durchschnittsstärke 5 vorherrscht, aufzukreuzen, um eine ausreichende Ausbildung des Jahrganges "beim Wind steuern" zu erzielen, während auf den Reisen von Madeira nach Westindien und in Westindien selbst nach den früheren Reiseplänen fast immer Kurs gesteuert werden kann. Gleichzeitig beabsichtigte ich auf dieser verhältnismäßig langen Reise, neben Segelmanövern die Abschlussprüfungen des Vierteljahres vorzunehmen . Leider gestalteten sich aber in diesem Jahr wider alles Erwarten die Witterungsverhältnisse derart abnorm, dass für das Steuern in erster Linie die älteren Mannschaften - Kadetten, Matrosen und Leichtmatrosen - herangezogen werden mussten, während ich die im Anfang der Reise begonnenen Prüfungen bis zu einer günstigeren Zeit verschieben musste, da das Wetter und die vorherrschenden Verhältnisse meine ungeteilte Aufmerksamkeit verlangten, wenn das Schiff bis zu Weihnachten St. Thomas erreichen und der Besatzung die ungeteilte Weihnachtsfreude gewährt werden sollte. Hierbei erwähne ich gleich, dass mir bei den in Puerto Cabello wie später in St.Thomas eingezogenen Erkundigungen versichert wurde, dass die Witterung gegen sonst bedeutend abweiche. In Pto Cabello herrscht sonst in diesem Monat ein gleichmäßiger frischer Passat, jetzt unregelmäßige leichte Winde mit drückender Hitze und Regenböen; in St. Thomas hatte es bei unserer Ankunft schon 6 Wochen lang hart aus NO mit stürmischen Böen in Stärke 10 geweht. Mittwoch den 12. Dezember 8:15 Uhr morgens wurde Anker gelichtet und das Schulschiff verließ mit mäßigem westlichen Winde - Landbriese - unter allen Segeln die Rhede von Pto Cabello, nachmittags drehte der Wind abflauend nach Norden und kam nach zwei Stunden Stille 9:00 Uhr abends mit Stärke 3 bis 4 von SO durch. Die Absicht war, 60 bis 80 Seemeilen unter der Küste in dem dort Ost setzenden Strom aufzukreuzen, dann mit einem Schlage an den Los Roques vorbei- zu liegen, und von dort in dem fast stromfreien Gebiet zwischen 12° und 15° Nordbreite nach St. Thomas zu kreuzen. Bis zum 14. morgens wurde mit leichten veränderlichen Winden, die ab und zu von Windstillen unterbrochen waren und häufige Regenschauer brachten, in Sicht der Küste gekreuzt; die Wache war unter diesen Verhältnissen in beständiger Tätigkeit an den Brassen und beim Bergen und Setzen der leichten Segel. Am 13. nachmittags 4:45 Uhr wurde La Guayra. bereits in r/w S 2° W gepeilt und damit waren etwa 65 sm Ost gewonnen.
Am 14. setzte der NO Passat mit Stärke 4 ein und zwang das Schiff von der Küste ab - und nach Norden aufzuliegen, womit es in den nach Westen setzenden Strom hinein lief; jetzt war es günstiger, auf diesem Bug weiter zu liegen und die Inseln und Klippen, die etwa 60 sm nördlich von der venezolanischen Küste liegen, hinter sich zu lassen, um in den Breiten zwischen 12° und 15° Nord nach Norden zu segeln. 4:00 Uhr nachmittags wurden in 3/4 sm Abstand die äußersten Klippen der Bird-Inseln passiert. Damit erreichte das Schiff freies Fahrwasser, aber ein Gebiet steifen, oftmals stürmischen Passates mit schweren Böen, grober See und hoher Dünung.
Am 15. und 16. wurde unter diesen Verhältnissen nördlich gesteuert; der Wind war ONO 7 bis 9, die Segelführung gerefft oder volle Obermarssegel; je weiter das Schiff nördlich kam, desto höher wurde die See, in der es heftig arbeitete. Am 16. abends 11:00 Uhr wurde an der Küste von S. Domingo gehalst.

Die Erwartung, dass in Lee der Inseln S. Domingo und Puerto Rico günstigere Verhältnisse angetroffen würden, traf nicht ein. Der Wind blieb wie festgenagelt in ONO und wehte hart, stürmische Böen traten in der Nähe des Landes häufiger auf, die See und Dünung nahmen erst in geringer Nähe der Küsten ab, vor denen in den Segelanweisungen und Karten ausdrücklich gewarnt wird, da sie sehr ungenau vermessen ist und viele unbekannte oder nicht genau bestimmte Untiefen davor liegen. Der einzige Vorteil bot sich in dem an der Südküste der Inseln San Domingo zwischen den Inseln Brata und Saona Ost setzenden Strom. Unter diesen anhaltend ungünstigen Verhältnissen wurden in nahezu sieben Tagen 360 Seemeilen aufgekreuzt und zwar wurde am 17. und 18. an der Südküste von S. Domingo gekreuzt, dann mit einem langen Schlage nach SO die 60 sm breite Mona-Passage zwischen S. Domingo und Puerto Rico, durch die ein starker Strom von NO lief, der sich noch weit südlich von der Passage fühlbar machte, überschritten und am 21. und 22. an der Südküste von Puerto Rico gekreuzt.
Neben der kurzen groben See und hohen langen Dünung, in der das Schiff, das jetzt schon nach der Hälfte der Auslandsreise recht leicht ist, schwer arbeitete, waren die stürmischen Böen, die besonders in der Zeit von 4:00 Uhr nachmittags bis gegen 2:00 und 3:00 Uhr morgens zahlreich aufkamen, am unangenehmsten und forderten ein beständiges Klarstehen und Arbeiten der Wache bei angespanntester Aufmerksamkeit der Verantwortlichen, während die Ausbildung und Dienst der anderen Mannschaften den Verhältnissen entsprechend planmäßig fortgeführt wurde. Je nach der Witterung wurden Bramsegel, volle oder gereffte Obermarssegel gefahren und die in einem früheren Berichte erwähnte Erfahrung, dass das leichte Schiff mit zweckmäßig verminderter Segelführung besser Fahrt und leichtere Bewegungen hat, als unter größerer, die es wohl tragen könnte, bestätigte sich wiederum. So lief das Schiff beispielsweise mit vollen Vor- und Gross- und gerefften Obermarssegel bei Windstärke 7 - 8 unter schwerem Stampfen 8 bis 9 Seemeilen stündlich, nachdem das Kreuzobermarssegel festgemacht, Vor- und Obermarssegel gerefft waren, unter ganz gleichen Verhältnissen mit bedeutend leichteren Bewegungen stetig 10 sm..
Vom 18. abends 6:00 Uhr bis zum 20. Mittag 12:00 Uhr ließ ich die Mannschaft in zwei Wachen gehen, um einer Übermüdung vorzubeugen, die sich teilweise bemerklich machte durch die harte Arbeit auf der Wache, zu der die Kräfte der Jungen bei den häufig notwendigen Manövern nicht immer ausreichten, während sie auf der Freiwache bei den heftigen Bewegungen des Schiffes in der dumpfen und heißen Luft des Zwischendecks, dessen Bullaugen ständig verschlossen gehalten werden mussten, nicht die notwendige Ruhe fanden. Durch das "Zwei- wachen gehen" wurde erreicht, dass einmal die Kräfte nicht so sehr in Anspruch genommen wurden und die Luft im Zwischendeck durch den Aufenthalt weniger Menschen reiner war. Am 23. Dezember morgens stand das Schiff unter allen Segeln etwa 18 sm SN südwestlich von St. Cruz,, der Wind war ONO 4, die See mäßig bewegt; damit eröffnete sich die Aussicht St. Thomas, das 60 sm in NNO entfernt war, in der nächsten Nacht oder am folgenden Morgen zu erreichen. Gegen Mittag drehte der Wind mit mäßigen Regenböen nach NO und NNO - die leichten Segel mussten vorübergehend geborgen werden - um nach kurzer Zeit auf OSO zu gehen; damit konnte Kurs auf St. Thomas gelegt werden. Der Wind war zwar unbeständig in der Stärke und wurde von leichten Regenböen, denen gewöhnlich eine kurze Windstille folgte, unterbrochen, blieb aber aus der gleichen Richtung.
Die Erregung an Bord, ob wohl das Schiff zur rechten Zeit den Weihnachtshafen erreichen würde, um das Fest in Ruhe und vor Anker feiern zu können, steigerte sich von Stunde zu Stunde. Langsam genug ging es ja für die Ungeduld der Meisten, aber als um 6:47 Uhr abends der Lotse an Bord genommen wurde, ging ein tiefes Aufatmen über das Oberdeck, auf dem die Besatzung in Manöver- divisionen angetreten stand. Vor der Hafeneinfahrt wurde der Wind so schral, dass auf dem angesegelten BB Bug nicht hineingelegen werden konnte, es wurde gewendet und, nachdem 2 sm auf StB Bug abgesegelt waren, wiederum auf BB Bug gewendet; eine zur rechten Zeit und aus günstiger Richtung einsetzende Böe gab dem Schiff so viel Fahrt, dass es durch die Einfahrt in den völlig windstillen Hafen glitt, in dem genau auf der gleichen Stelle wie im Vorjahr 8:40 abends der BB Anker mit 15 Fadenkette fiel. Damit war eine Reise abgeschlossen, auf der in einem Gebiet sonst schönen gleichmäßigen Wetters die rein instruktionsmäßige Ausbildung zurücktrat gegenüber den praktischen Forderungen dieser Kreuzfahrt, wie sie sich durch die veränderte Wetterlage ergaben, und die die Kraft und Geschicklichkeit des Einzelnen einer ernsten Prüfung unterzog, und wie ich ferner berichten kann, sich hierbei besonders die Kadetten durch Eifer und Ausdauer hervor taten. Am 24. morgens visitierte der Hafenarzt den Gesundheitspass des Schiffes. Gegen 8:00 Uhr machte der kaiserlich deutsche Konsul Herr Kapitän Sonderhoff , der zugleich Vertreter der H.A.L. ist, seinen Besuch und teilte mir mit, dass er wegen der späten Ankunft des Schiffes die hier lagernden Weihnachtssachen und Proviantkolli so habe ordern lassen, dass die ersten zugleich in den eigenen Booten abgeholt und auch dabei Palmzweige und sonstiges Grüne, das heute morgen klargestellt sei und zur Ausschmückung des Zwischendecks dienen solle, mitgenommen werden könne.
Diese sehr dankenswerte Anordnung ermöglichte es, dass bereits um 11:00 Uhr sämtliche für das Weihnachtsfest bestimmten Bäume, Pakete usw an Bord waren. Das Schiff war inzwischen hafenklar gemacht worden und es wurden alle Vorbereitungen zur Weihnachtsfeier getroffen und rechtzeitig beendet.
In Begleitung des Konsuls machte ich dem Gouverneur der dänischen Inseln meinen Besuch, der am selben Tage durch den Adjutanten erwidert wurde.

Um 6:00 Uhr abends rief die Schiffsglocke mit langsamen Schlägen die Besatzung zum Gottesdienst auf dem Schanzdeck zusammen; das Weihnachtsevangelium wurde verlesen und das alte Lied "Stille Nacht, heilige Nacht" tönte feierlich gesungen über den stillen Hafen; ich richtete danach einige Worte an die Mannschaft: in freudiger Dankbarkeit derer zu gedenken, deren Güte und Fürsorge ihr ein schönes und heimatliches Fest im fernen Auslande bereitet habe und in treuer Kameradschaft dieses schönste aller Feste zu begehen. Es fand dann die Bescherung im Zwischendeck statt, das ebenso wie die anderen bewohnten Räume im Laufe des Tages in einen wahren Palmengarten mit Lauben und Nischen, die mit zahlreichen Papierflaggen und Transparenten geschmückt waren, verwandelt war. Die freudestrahlenden Gesichter der Jungen bewiesen, dass die Geschenke glücklich und praktisch gewählt waren; daran schloss sich die Verteilung der Pakete der Eltern und Verwandten, die in einer unglaublichen Menge angekommen waren und neben nützlichen Geschenken zumeist Delikatessen und Leckerbissen enthielten. Ein Rundgang, den ich mit sämtlichen Offizieren durch die Kadetten- messe zu der Stammmannschaft, die sich zur Feier die Back hergerichtet hatte, und durch das Zwischendeck von Back zu Back machte, beschloss diesen Teil der Feier, die in freudigem Jubel und fröhlicher Weihnachtsstimmung verlief, bis der Befehl zur Hängemattenausgabe und das "Ruhe im Schiff" dem notwendigen Schlaf zu seinem Recht verhalf.
Ich selbst feierte den Weihnachtsabend gemeinsam mit den Offizieren in der Offiziersmesse. Während der Weihnachtsfeiertage wurde der Mannschaft von Mittag ab Urlaub erteilt, doch zogen die meisten Jungen, obwohl sie doch zum ersten Male hier sind, vor, an Bord zu bleiben, um mit Spielen, Lesen, Turnen und sonstigen Unterhaltungen die Feiertage an Bord zu verleben; und die Wenigen, die von der Erlaubnis gebrauch machten, kehrten frühzeitig aus der freundlichen hübsch auf drei Hügeln gelegenen sauberen kleinen Stadt zurück; die älteren Zöglinge dagegen segelten mit den Booten im Hafen und den anliegenden Buchten umher. Nach den Feiertagen nahm ich Tag für Tag Prüfungen der einzelnen Divisionen vor, die am 3. Januar beendet wurden. Die Leistungen waren recht zufrieden- stellend; die Ausbildung der Jungen entsprach dem im Lehrplan aufgestellten Forderungen und war in den einzelnen Divisionen gleichmäßig durchgeführt; die Ausbildung der Kadetten und Leichtmatrosen in seemännischen Arbeiten, im Draht- Splissen war gut, teilweise sogar sehr gut.
Der herrschende NO - Passat brachte auch hier tagtäglich recht zahlreiche Böen bis Stärke 8 und 9 und Regenschauer, die das Liegen in dem sonst sicheren Hafen unbehaglich machten. Am 25. wurden von der BB Kette 15 Faden mehr gesteckt und auf die Kette wurde, um das Ankerspill bei dem zeitweise sehr heftigen Einwirken zu entlasten, der schwere Kettenstopper, aus Stahldraht und Klaue bestehend, gesetzt; trotz dieser Sicherheitsmaßregel brach am 27. nachmittags eine Backe des BB Klüsstoppers und die Klaue des Kettenstoppers wurde stark verbogen; der StB Anker wurde fallen gelassen mit 27 Faden Kette und auf BB 43 Faden Kette gegeben, die Ketten wurden durch Kettenstopper und schwere Taljen, die das Spill entlasteten, abgestoppt. Als sich herausstellte, dass das Schiff vor den bei der geringen Wassertiefe zu langen Ketten heftig gierte, wurde am nächsten Morgen die StB Kette auf 12, die BB bis auf 27 Faden eingehievt. Das Schiff lag jetzt besser, doch nickte es mit seinem großen Windfang bei den aus verschiedenen Richtungen einsetzenden Böen immerhin noch heftig ein; unter diesen Verhältnissen war es auch nicht zweckmäßig, das Schiff durch einen Heckanker in einer bestimmten Lage zu halten.
Wegen dieser Böen musste Segelexerzieren unterbleiben, die Segel konnten nur ab und zu mit Vorsicht zum Trockenen gelöst werden; die übrigen Dienstzweige, besonders Bootsdienst, nahmen ihren ungestörten Fortgang. Nach den Feiertagen wurde das Schiff außenbords gemalt. Die dem Schiff mitgegebene Reservespier wurde auf die Kohlenwerft der H.A.L. geschleppt und dort von dem Zimmermann, dem Kadetten Kühn und dem Matrosen Windgassen und Niederstadt zur Marsraa zubehauen und wieder an Bord genommen.
Zweimal wurde unseren Booten Gelegenheit zur Hilfeleistung gegeben; am 1. Januar vormittags kenterte ein Boot der in der Nähe liegenden italienischen Bark "Franca Cesia", in dem vier Mann segelten, in eine heftigen Böe etwa fünf Kabellängen vom Schulschiff; der sofort abgesandte II. Kutter unter dem Kadetten Lange rettete die vier Mann und brachte mit Hilfe des nachgeschickten III. Kutters das Boot längseits des Italieners. Der Kapitän der Bark kam am nächsten Morgen und bedankte sich bei mir mit den Worten: dem Kommandanten, den Offizieren, den Matrosen und ganz Deutschland Dank für die Rettung meiner Leute und meines Bootes .
Am 2. nachmittags kenterte ein Segelboot, das von einem englischen Kabeldampfer abgesetzt hatte; der VI. Kutter wurde zur Hilfeleistung sofort abgesandt, konnte aber nicht mehr eingreifen, um das Boot zu bergen, da die Insassen sich durch Schwimmen gerettet hatten und von einem anderen Boot aufgenommen waren.
Am Sonntag den 30. Dezember 6:00 Uhr morgens wurde von den wachfreien Schiffsjungen und Kadetten unter Führung der Herrn Haussen und Zürne ein Ausflug über den Kamm der Berge nach der an der Nordseite der Insel gelegenen Magens Bai gemacht, die wegen ihres klaren Wassers, - der Grund ist auf fünf Faden Wassertiefe noch deutlich zu sehen - der Korallenbildungen und Schildkröten wegen ein beliebter Ausflugsort ist. Um 11:45 Uhr vormittags kehrten die Teilnehmer zurück.
Am 1. Januar wurde ein Ausflug in den Booten nach der Krum Bai unter Führung der Herren Haussen, Krartke, und Wagner unternommen, in der sich eine englische Kabelstation und eine Anlage zum Abwracken von Schiffen befindet, die besichtigt wurden. Unter Führung der Herren Krartke, Böhner und Fredersdorf fand weiterhin ein Ausflug der wachfreien Mannschaften nach dem Myhlenfeldt-Leuchtturm statt.

Die Kadetten und Leichtmatrosen machten in zwei Booten einen Ausflug zum Fischen in der Krum Bai unter Leitung des Bootsmanns und Segelmachers, von dem sie mit ca. 100 Kilo Fischen zurückkehrten die am nächsten Tage die Mittagsmahlzeit lieferten.
Am 29. Dezember war ich mit drei Offizieren vom deutschen Konsul zum Diner eingeladen. Der Gesundheitszustand der Besatzung während der ganzen Zeit war abgesehen von den immer vorkommenden kleinen Verletzungen ein sehr günstiger. An dem Befinden des schon am 3. Oktober an Leistenentzündung im Lazarett aufgenommenen Schiffjungen Brandt trat keine Besserung ein, sodass er am 27. Dezember auf Antrag des Arztes dem Landlazarett in St. Thomas überwiesen wurde, um sobald wie möglich mit einem Dampfer der H.A.L. nach der Heimat befördert zu werden. Die Seedienstfähigkeit des Brandt, der im Juli eingestellt wurde, nachdem er sich im Mai einer Blinddarmoperation unterzogen hatte, die eine weiche und dünne Narbe zurückgelassen hatte, war sowieso eine nur beschränkte.
Am 26. November wurde der Leichtmatrose Ekeling wegen Gelenksrheumatismus im Lazarett aufgenommen. Die Krankheit nahm sehr bald durch Eiterungen am Schienbein mit hohem Fieber und starkem Kräfteverfall einen bösartigen Charakter an, sodass schon in Pto. Cabello die Ausschiffung zur besseren Pflege sich notwendig zeigte, aber wegen der sehr ungünstigen Hospitalverhältnisse unterblieb. Auf der Reise nach S. Thomas trat keine Besserung ein und der Kranke, der unter sehr starken Schmerzen litt, wurde am 27. Dezember in das Landlazarett in St. Thomas ausgeschifft,; die Heilung wird längere Zeit in Anspruch nehmen und voraussichtlich Seedienstunfähigkeit zur Folge haben. Über die Entstehungs- ursache können keine bestimmten Angaben gemacht werden.
Die Kranken sind in dem Lazarett, wie ich mich persönlich bezeugte, gut aufgehoben und verpflegt. Der Konsul Herr Kapitän Sonderhoff versprach mir, aufs Beste für sie sorgen zu wollen und ihre Rückkehr auf einem geeigneten Dampfer mit ärztlicher Behandlung zu veranlassen.
Der in Madeira wegen Lungenentzündung zurückgelassene Leichtmatrose Nieder- stadt meldete sich nach Ankunft des Schiffes hier wiederhergestellt an Bord und wurde angemustert. Die Verpflegung war gut, die Speisen wurden schmackhaft und zweckentsprechend zubereitet. Klagen und Wünsche wurden nicht geäußert.
In den Monaten Oktober, November und Dezember habe ich Revisionen des Boot- manns-, Zimmermanns-, Segelmacher-, Heizraums-, und Verwalterinventars vorgenommen und diese in Ordnung gefunden; unbedeutende Mängel wurden durch geeignete Maßnahmen sofort abgestellt.

St. Thomas - Sta. Marta - Cartagena - Havanna 5. bis 26. Januar

Am Sonnabend den 5. Januar nachmittags 5:12 Uhr wurde Anker gelichtet, das Schiff durch Backbrassen des Vortops und Setzen der Unter- und Obermarssegel zum Abfallen auf freies Fahrwasser gebracht und der Hafen von St. Thomas unter allen Segeln verlassen; der Wind im Hafen war NO 4 mit typischen Böen. Ein Zwangslotse, der in der Einfahrt das Schiff wieder verließ, war an Bord während des Aussegelns. Zur Fahrtverminderung - das Schiff lief 12 sm - wurden um 7:00 Uhr abends die Oberbramsegel, um 10:00 Uhr die Bramsegel, Kreuzobersegel und Großsegel geborgen. Es wurden in diesem Teil des karibischen Meeres die gleichen Witterungsverhältnisse angetroffen, wie sie auf der Reise nach St. Thomas herrschten und im vergangenen Jahr auf der Reise von St. Thomas nach Cartagena vorgefunden waren: harter Passatwind mit grober See, die allerdings mit den in den Segelanweisungen für den Monat Januar enthaltenen Angaben übereinstimmten.
Um nun ruhigeres Wasser zur Vornahme von Segelmanöver zu finden, ließ ich zunächst vom 6. morgens bis zum 7. mittags SO steuern und dann den Kurs auf Lacer Pt. nehmen, von dort wurde in Lee der Inseln Buen Ayer, Macao und Omba bis Cap La Vela ein WNW-licher Kurs verfolgt und dann auf Santa Marta gesteuert.
Am 6. und 7. wurde mit steifem Passat unter Obermarssegel und zeitweilig Bramsegel auf SO und SSW- Kursen gesegelt; dabei wurde der planmäßige Dienst im Splissen, Knoten, Segelnähen usw ausgeführt.
Am 8. nachmittags 1:18 Uhr wurde die niedrige SO Spitze der Insel Buen Ayer, Lacer Point , auf der das weit sichtbare Wrack eines Viermastgaffelschoners lag, gerundet.
Der Passat wehte hier mit Stärke 4, die See war leicht bewegt. Von 4:00 bis 5:30 Uhr wurden unter der Insel Little Curacao Segelmanöver mit "Alle Mann" im Wenden und Halsen vorgenommen, die von den einzelnen Wachoffizieren ausgeführt wurden. Um 8:00 Uhr abends wurde mit Untermarssegeln unter der Küste von Curacao im Feuerkreis von Willemstadt, der Hauptstadt der Insel, beigedreht, da ich beabsichtigte, am nächsten Morgen an die Hafeneinfahrt heran zu gehen, um mich für ein etwaiges späteres Anlaufen zu orientieren; es setzte jedoch ein so starker Strom- die Stromversetzung bis zum nächsten Mittag betrug r/w WNW 39 sm- , dass ich um 4 Uhr morgens am 9. mit Setzen der Obermarssegel, Bram- und Oberbramsegel die Reise fortsetzen ließ, da es aussichtslos war, mit dem flau gewordenen Winde gegen den Strom aufzukreuzen. Der Wind wurde im Laufe dieses Tages so flau, dass das Schiff die Distanz zwischen Curacao und Omba Insel - 48sm - fast nur mit dem Strom treibend zurücklegte. 1:45 Uhr nachmittags war die SO-Spitze von Omba 1,5 sm querab - die Stromversetzung von Mittag ab wurde mit r/w NW z W 15 sm festgestellt -, mit auffrischendem Winde gelang es in größere Entfernung von der Küste zu kommen, an die der Strom das Schiff bedenklich nahe herangesetzt hatte, hierbei wurde eine ziemlich starke Stromkabbelung durchsegelt, die aber keinen Einfluss auf das Steuern hatte. Am 10. wurde mit leichtem Passat in Stärke 3 und leicht bewegter See westlich gesteuert. Am Vormittag wurden Segelexerzitien ausgeführt, die zur Einzelausbildung der Zöglinge in der Bedienung der Takelanlage dienten. 7:30 Uhr abends wurde auf BB Bug beigedreht und um 12:00 Uhr nachts mit der Hälfte der Wache gehalst.
Mit Tagwerden am 11. Januar wurde das Kap La Vela an der kolumbianischen Küste in r/w S 32° W 10sm gesichtet und nach Setzen aller Segel angesteuert. 7:55 Uhr vormittags wurde die vor dem Kap liegende Klippe in 3/4 sm Abstand gerundet und 8:16 Uhr in der südwestlich davon sich weit erstreckenden Bucht in 9 Faden Wasser geankert. Die Bucht bietet bei NO Winden einen gut geschützten und sicheren Ankerplatz. Die Küste ist mit Ausnahme des etwa 250 bis 300 Fuß hohen Kaps niedrig und mit Gestrüpp und Kakteen bewachsen und wird von vereinzelt lebenden Indianerfamilien bewohnt, die noch im Naturzustande lebend ein armseliges Dasein in aus Reisern und Gräsern erbauten Hütten fristen, deren einzig dichte Wand sich an der Windseite befindet und zusammen mit dem Blätterdach einigen Schutz gegen Wind und Wetter bietet. Ich machte mit den dienstfreien Offizieren einen kurzen Ausflug nach einer Ansiedlung, die von zwei Familien bewohnt wurde.
An Bord wurde der Tag zu einer gründlichen Reinigung des Schiffes innen und außenbords benutzt.
Der Wind war während des Vormittags NO 3 mit Regenschauern und frischte um 4:00 Uhr nachmittags auf bis auf Stärke 5. 4:10 Uhr nachmittags wurde Anker gelichtet und vor Vor- und Untermarssegeln und Fock die Reise fortgesetzt.
Am 12. vormittags wurde mit ONO 6 Wind die von schwarz-blau-grauen Dunst verhüllte Küste der Los Ancones mit geringer Segelführung - Fock, Vor- und Großuntermarssegel - auf SSW-lichem Kurse mit 6 sm Fahrt angesteuert; das Lot ergab dabei keinen Anhalt, da die Tiefen hier bis an die hohe Küste heran über 100 Faden betragen. Das erste, was um 10:30 Uhr in diesem Dunst, der charakteristisch für diese Küste ist, gesichtet wurde, war die etwa 2 sm entfernte Brandung, die sich hoch aufschäumend am Fuße der Felsen brach; es wurde auf Westkurs gegangen und Großsegel, Obermars- und Bramsegel gesetzt. Allmählich traten aus dem Dunst einzelne Konturen des hohen Landes heraus, an dem in 2 bis 3 sm Entfernung entlang gesteuert wurde; um 12:49 Uhr vormittags wurde das Kap de la Aguja in 1,5 sm Abstand umsegelt und auf die 5 sm SSW davon gelegene Bucht Sta. Marta unter Umseglung einer auf dem direkten Kurs liegenden Untiefe gesteuert; Bramsegel und Großsegel wurden geborgen, als der Wind schnell bis 8 zunahm und in kurzer Zeit eine grober See aufbrachte. Die Küste hier war frei von dem Dunst, doch lagerten auf den den Hafen einschließenden Berghöhen drohende weiße Wolken, auf denen schwere Böen in Stärke 9 hernieder brachen, sodass die Obermarssegel geborgen werden mussten und ebenso die Fock, die - ein altes Segel - dem heftigen Druck nicht mehr widerstand und an mehreren Stellen zugleich zerriss. Unter diesen Verhältnissen wählte ich zum Einsegeln den Weg westlich von Morro Grande und nicht den zwischen dieser Insel und Morro Chico, um die Bucht nötigenfalls sofort wieder verlassen zu können.
Hierbei erwähne ich, dass ich bei meinen mündlichen Erkundigungen hier draußen gewarnt wurde, in dieser Jahreszeit in Sta. Marta zu ankern, da die sehr heftigen von den Bergen herabkommenden Böen die Rhede für ein Segelschiff unsicher machen. Die Segelanweisung spricht von heavy squalls auf dem Ankerplatz vor der Stadt, von heavy gusts auf dem und vor dem Manzanares-Fluss, während von dem dritten in inneren Teile der Bucht nur gesagt wird, dass die See dort ruhiger ist.
Um 1:38 Uhr nachmittags wurde Morro Grande in einer Kabellänge Abstand passiert und auf den Ankerplatz zugesteuert; die Bucht war jetzt in ihrer ganzen Ausdehnung zu übersehen; als plötzlich aus ihrem inneren Teile von den Bergen herab eine Böe in Stärke 10 über das Schiff hereinbrach, sodass es sich weit überlegte und vorwärts schoss, das Wasser schien in dem Moment förmlich zu kochen, durch schleuniges Bergen des Besahns und Aufbrassen der Achterraaen gelang es das Schiff rechtzeitig zum Abfallen zu bringen und die Bucht wieder zu verlassen, da jetzt an ein Ankern ohne Gefährdung des Schiffes nicht zu denken war; die weitere Überlegung sagte, dass, da diese Böen in dieser Jahreszeit jederzeit auftreten, der Aufenthalt in der Bucht eine beständige Gefahr mit sich brächte, die ein stetes Seeklarhalten des Schiffes und Wachegehen und Klarmachen der ganzen Besatzung erfordern würden, wodurch jeder andere Dienst vereitelt würde, d. h. also den herrschenden Witterungsverhältnissen entsprechend außergewöhnliche Maßregeln getroffen werden mussten, die allein dem Erhalt und der Sicherheit des Schiffes dienten und der Ausbildung an und für sich wenig förderlich wären. Ich entschloss mich deshalb, nicht dorthin zurückzukehren, sondern einen geeigneten Platz anzulaufen, um nach Aufgabe von erklärenden Telegrammen die Reise nach Havanna fortzusetzen. Zunächst wurde unter dem Schutze der von Kap Cueruo ab r/w S 20 sm streichenden Küste auf die 15 sm entfernte Rhede von S. Juan gesteuert, auf der vorläufig gut geschützt um 4:50 Uhr nachmittags in 4 sm Entfernung von der Küste in 11 Meter Wasser geankert wurde. St. Juan ist eine kleine Stadt, die durch Eisenbahnen und Telegraf mit Sta Marta verbunden ist. Wegen der weiten Entfernung und der bald eintretenden Dunkelheit wurde ein Boot nicht mehr abgesandt. Während der Nacht, die ruhig verlief, wurde Seewache gegangen. Am 13. morgens 7:35 Uhr wurde Anker gelichtet und unter Segel gegangen, da sich dicke drohende Wolken auf den Bergspitzen ballten, die auf stürmisches Wetter deuteten. Mit sehr flauer südlicher Prise wurde unter allen Segeln WNW gesteuert, um möglichst weit von der von St. Juan bis zur Mündung des Magdalenen-Stromes r/w West 30 sm sich erstreckenden niedrigen und gefährlichen Küste abzukommen. Es waren kaum 3 sm mit flauen veränderlichen Winden zurückgelegt, als plötzlich der Wind von NO in Stärke 6 einsetzte und schnell bis 9 zunahm, in kurzer Zeit eine hohe unregelmäßige See aufwühlend, in der das Schiff schwer arbeitete. Die Oberbramsegel, Bramsegel, Obermarssegel und Großsegel mussten nacheinander geborgen werden. Um 1:00 Uhr nachmittags war das Schiff frei von der Küste und wurde 1:35 Uhr über BB Bug vor Großunter- marssegeln und Vorstengestagsegel beigedreht. Es stand hier eine sehr hohe unregelmäßige jedoch nicht schwere See, das Schiff nahm aber viel Spritzwasser über. Die Absicht, den Hafen von Savanilla zur Aufgabe von Telegrammen anzulaufen, musste bei diesen Verhältnissen vorläufig aufgegeben werden, da die Rhede dieses Platzes, von dem das Schiff etwa 8 sm in NWN stand, und durch eine niedrige Insel oder Halbinsel mit vorliegenden Untiefen - Spezialkarten davon sind nicht an Bord - geschützt nach meiner Ansicht keinen sicheren Ankerplatz für das Schulschiff bot, doch wurde versucht, das Schiff möglichst auf der Höhe dieses Hafens zu halten, um ihn nach Flauerwerden des Windes und Heruntergehen der See anzulaufen oder einem passierenden Dampfer die nötigen Signale zu geben. Die Küste war sehr bald wieder in den charakteristischen Dunst gehüllt und aus Sicht.
Am 14. hielt der Wind - ONO 9 - mit gleicher Stärke an; als mittags durch Beobachtungen, die bei häsiger Luft genommen werden mussten, und durch Lotungen festgestellt wurde, dass das Schiff etwa 10 ms SSW von Savanilla vertrieben war, wurde abgehalten und der Kurs auf Cartagena genommen, da das Aufkreuzen in der hohen See bei dem stürmischen Wetter aussichtslos war. Das Oberdeck wurde auch an diesem Tage bei den fortgesetzt überkommenden Spritzern nicht trocken.
Um 7:32 Uhr abends wurde das Feuer von Cartagena gesichtet und während der Nacht mit kleiner Segelführung vor der Küste gekreuzt. Der Wind wurde ab und zu flauer, die See blieb aber gleich hoch und unregelmäßig.
Am 15. vormittags wurde die Außenrhede von Cartagena auf Kurs liegend angesteuert, Wind und See waren handiger geworden; 4 bis 5 sm vom Ankerplatz entfernt schralte der Wind und es musste wieder nach Norden gelegen werden, bis bei stetigem bis 6 abflauendem Winde mit dem nächsten Schlag die offene Rhede erreicht wurde, auf der 3:52 Uhr nachmittags in 11 Meter Wasser geankert wurde.

Sogleich nach dem Ankern wurde ein Kutter mit Kadetten bemannt unter Führung von Herrn Böhner mit dem Zahlmeister abgesandt, um Telegramme an Land zu bringen. Das Boot konnte wegen der hohen Brandung an der Küste nirgends landen und kehrte um 7:00 Uhr an Bord zurück. Mit Sonnenuntergang flaute der Wind nördlich drehend ab bis 4 und wehte in gleichmäßiger Stärke bis zum 16. nachmittags aus NNO, See und Dünung waren herunter gegangen. Während der Nacht wurde Seewache gegangen und alles klar gehalten, um nötigenfalls sofort unter Segel gehen zu können. Am 16. morgens wurde unter Führung des I. Offiziers ein Kutter mit dem norwegischen Dingy im Schlepp abgesandt, um die Verbindung mit Land herzustellen. Der Kutter wurde an einer günstigen Stelle vor der noch immer hohen Brandung verankert und von ihm aus das Dingy durch diese gefiert; auf diese Weise gelang es Herrn Böhner und dem Zahlmeister, an Land zu kommen; das Brandungsbad blieb ihnen nicht erspart, trotzdem einige Leute von Land aus nützliche Dienste leisteten. Nach dem ABC-Code wurde an den deutschen Schulschiffverein ein Telegramm aufgegeben: "die Rhede von Sta Marta ist den Winden zu sehr ausgesetzt, das Wetter ist sehr stürmisch (an dieser Küste) es ist (infolgedessen) besser, die Reise nach Havanna fortzusetzen".
Weiterhin ließ ich telegrafisch den deutschen Ministerresidenten in Bogota, der Hauptstadt von Kolumbien, benachrichtigen, dass das Schulschiff wegen stürmischen Wetters nicht in Sta Marta geankert und nach Anlaufen von Cartagena die Reise nach Havanna fortgesetzt habe, mit der Bitte, die kolumbianischen Behörden davon in Kenntnis zu setzen. Ein drittes Telegramm an das Postamt in Sta Marta ersuchte um Übersendung der Post des Schulschiffes nach Havanna. Nach Erledigung dieser Aufträge, zu denen noch auf dringenden Antrag des Arztes die Beschaffung von 500 Pfund Eis kam, das wohl verwahrt unbeschädigt an Bord gelangte, kehrten die Boote gegen 1:00 Uhr zum Schiffe zurück. Um 3:00 Uhr nachmittags begann der Wind, der bis dahin mit Stärke 3 geweht hatte, aufzufrischen bis 6 und wehte bald wieder stürmisch.
3:18 Uhr wurde Anker gelichtet, Untermarssegel und Untersegel gesetzt und mit NW z. N Kurse die Küste verlassen. Der stürmische und böige Wind wühlte schnell wieder eine grobe See auf, in der das Schiff heftig rollte und tüchtig Spritzwasser übernahm; trotzdem aber lief es mit der geringen Segelführung 7 bis 9 Seemeilen in der Stunde.
Das Schulschiff lief in diesem Jahre zum zweiten Mal auf seinen Auslandsreisen die Küste von Kolumbien und zwar wie im Vorjahr im Januar an. Nach den gemachten Erfahrungen kann ich diese Küste und Häfen für die Zukunft nicht zur Aufnahme in den Reiseplan empfehlen. Vom Januar bis April weht der Passat fast ununterbrochen hart und stürmisch und bringt eine hohe See auf; die angelaufenen Häfen Sta Marta, Savanilla und die Außenrhede von Cartagena sind dem Winde, schweren Böen und auch der See zu sehr ausgesetzt, um eine ruhige und gedeihliche Ausbildung zu fördern, eine Ausnahme macht allerdings die Lagune und der Hafen von Cartagena, der sichere und völlig geschützte Ankerplätze bietet, doch ist hier die Einfahrt für ein Segelschiff mit Raaen von der Größe des Schulschiffes bei den vorherrschenden Winden außerordentlich schwierig. Der Vorteil der Häfen liegt in der sehr billigen Beschaffung von frischen Lebensmitteln, besonders von Fleisch.
Bis zum 18. mittags wehte der stürmische ONO fast ununterbrochen, dann wurde es handiger und es konnten die Obermarssegel gesetzt werden, am Sonntag den 20. wurde unter allen Segeln die niedrige Insel Grand Cayman angesteuert, deren Ostspitze mittags in Sicht kam. Es wurde in 2 bis 3 sm Entfernung an der Südküste der Insel bis zum South Point, der um 4:05 Uhr erreicht wurde, entlang gesteuert, dann wurde auf SW - Kurs gegangen.
Bis zum 23. nachmittags hielt das gute Wetter mit stetigen NO bis ONO- Winden in Stärke 3 bis 5 und mäßig bewegter See an, sodass täglich Segelmanöver: Segel setzen und -bergen zur Einzelausbildung und mit "alle Mann", Boje über Bord, Wendungen und Halsungen ausgeführt werden konnten.
Am Mittwoch den 23. Januar nachmittags 2:20 Uhr wurde das Kap St. Antonio auf Kuba in 10 sm Abstand passiert. Mit dem Eintritt in den Golf von Mexiko gelangte das Schiff wieder in ein Gebiet veränderlicher Winde, deren Stärke zwischen 3 und 8 verhältnismäßig schnell wechselte, mit unregelmäßiger grober See und hoher durcheinanderlaufender Dünung. Bis zum 25. nachmittags wurden nördliche Kurse gesteuert, um Leeraum zu gewinnen und bei einem der in diesen Monaten häufig auftretenden "Norder" gut frei von der Küste Kubas zu stehen. Der Ausbildungsdienst wurde in diesen Tagen planmäßig gefördert, am 24. vormittags wurden Segelexerzitien mit "Alle Mann" im Segelsetzen und -bergen sowie Reffen vorgenommen. Am 24. abends 6:00 Uhr ließ ich einen mir von der Mutter des im vergangenen Jahr in diesen Gegend verunglückten Kadetten Rode übersandten Kranz im Beisein von Herrn Zürn und dem Kadetten Hohenthal, ein Freund des Rode, still ins Meer versenken.
In der Nacht zum 20. Januar machte starkes andauerndes Blitzen im westlichen und nördlichen Horizont das Herannahen eines "Norders" wahrscheinlich; das Schiff segelte unter Obermarssegeln beim Winde, der allmählich von NO auf OSO 5 bis 7 drehte. Die Obermarssegel wurden vorübergehend gegeit, das Kreuzobermarssegel und Großsegel wurden festgemacht. Am 25. wurde 8:50 Uhr morgens auf StB Bug gehalst, Vor- und Großobermarssegel gerefft, um 12:00 Uhr mittags wehte es aus OSO Stärke 8 mit schweren Böen, die gerefften Obermarssegel wurden geborgen. Die Luft sah drohend aus und die geballten Wolken hingen niedrig, in der groben See und hohen durcheinanderlaufenden Dünung stampfte das Schiff schwer. Um 1:30 Uhr wurde auf BB-Bug gehalst und Fock und Kreuzuntermarssegel geborgen. Gleich darauf sprang der Wind in schweren Gewitterböen auf SSW und drehte allmählich auf West, es regnete zeitweilig heftig in den Böen, die jetzt Stärke 7 nicht überschritten, das Thermometer fiel in einer Viertelstunde um vier Grad von 23 auf 18,8, stieg aber bald wieder; um 7:00 Uhr abends wehte eine gleichmäßige Briese in Stärke 3, die Untersegel, Kreuzuntermarsssegel, Obermarssegel und Vor- und Grossbramsegel wurden gesetzt und SO Kurs gesteuert, das Schiff stampfte heftig in der hohen Dünung.
Am 26. Januar wurde mit mäßigem West und NW-lichen Winden die Küste von Kuba unter allen Segeln angesteuert, da ich mich entschlossen hatte, je nach den Windverhältnissen bereits am 27. oder 28. Januar in Havanna einzulaufen, um einige der in Sta Marta verlorenen Hafentage nachzuholen, deren Ausnutzung in ihrer vollen Zahl gerade in diesem Jahr geboten ist. Um 2:30 Uhr morgens am 27. wurde das Feuer von Bahia Honda auf O z S - Kurs in 18 sm Abstand in der Kimm gepeilt und der Kurs auf Havanna genommen, das mit Tagwerden in Sicht kam. Der seit dem vorhergehenden Abend stetige NNO Wind 4 wurde unter der Küste unbeständig und es musste noch zweimal gewendet werden, ehe auf die Hafeneinfahrt zugelegen werden konnte. Der Wind war zum Einsegeln und Erreichen des Ankerplatzes günstig. Unter allen Segeln mit 6 bis 7 sm Fahrt lief das Schiff mit Toppflaggen 10:52 Uhr vormittags in die schmale Einfahrt ein, der Lotse kam, wie gewöhnlich, erst innerhalb der ersten Bojen zum Anweisen eines Ankerplatzes an Bord, gerade an der schmalsten Stelle der Einfahrt, die dort 130 Meter breit ist, passierte das Schulschiff einen großen amerikanischen Dampfer auslaufend. Um 11:08 Uhr wurden alle Segel gegeit und 11:12 Uhr fiel der BB- Anker mit 15 Faden Kette in 11 Meter Wasser zwei Schifflängen von S.M.S. "Stein", das im Hafen anwesend und vorher passiert war, weiterhin lag der Vereinigte-Staaten-Kreuzer "Columbia" im Hafen.
Nach dem Hafenklarmachen wurde über die Toppen geflaggt zu Ehren des Geburtstages seiner Majestät des Kaisers und ich hielt eine kurze Ansprache an die Besatzung, die mit einem einmaligen Hurra schloss.
Dem Kommandanten von S.M.S. "Stein", Herrn Kapitän zur See Meuerer, machte ich einen Besuch und wurde von ihm zur Festvorstellung und dem darauf folgenden Bierabend eingeladen. Am Montag den 28. machte ich Besuch beim kaiserlich deutschen Ministerresidenten Baron von Humbracht, der am nächsten Tage von ihm erwidert wurde. S.M.S. "Stein" verließ 3:20 Uhr nachmittags den Hafen und wurde mit drei Hurras aus den Unterwanten begrüßt, der Gruß wurde in derselben Weise erwidert. Dem Kommodore der amerikanischen Kreuzerdivision auf U.S.S. "Columbia" machte ich einen Besuch, der von ihm sogleich erwidert wurde. Das Einsegeln des Schiffes unter allen Segeln bis auf den Ankerplatz, die ausgeführten Manöver sowie das Aussehen des Schulschiffes hatten ein großes Interesse erregt und wurde besonders von den deutschen und amerikanischen Seeoffizieren viel besprochen.
Am 29. morgens 6:00 Uhr wurde mit beiden Wachen manövermässig an die Boje Nr. 1 verholt, an der die StB Anker-Kette aufgeschäkelt wurde. In Begleitung des Ministerresidenten machte ich am 30. dem amerikanischen provisorischen Gouverneur Mr. Magoon und dem kubanischen Staatssekretär des Auswärtigen Besuche, die beide erwidert wurden.
Zu einem am 30. abends stattfindenden Empfang im Palazzo beim amerikanischen Gouverneur wurde ich mit zwei Offizieren eingeladen, eine zweite Einladung erhielt ich zu einem am 12. Februar abends gegebenen Ball.
Am 5. Februar war ich mit zwei Offizieren zum Essen bei dem deutschen Ministerresidenten und hatte eine zweite Einladung zum 11. abends.
Am 31. Januar lief das amerikanische Kriegsschiff "Dixie" zur Ablösung der "Columbia" ein, die am 3. Februar den Hafen verließ; am gleichen Tage lief der französische Panzerkreuzer "Kleber" mit dem Konteradmiral Thiersy, dem Chef des atlantischen Kreuzergeschwaders ein; ich machte dem Admiral und den Kommandanten der beiden Kriegsschiffe Besuche, die durch die Kommandanten erwidert wurden, wobei mir wiederholt gesagt wurde, dass das Schiff besonderes Interesse erregt habe und den Herren das Einsegeln des Schiffes mitgeteilt sei. Vom französischen Admiral erhielt ich eine Einladung zu einem an Bord gegebenen Empfang am 14. nachmittags. Die Mannschaft machte einen Ausflug nach dem Palatino, einem großen Vergnügungsetablissement mit Brauerei unter deutscher Direktion, woselbst sie freien Zutritt zu allen Schaubuden, Karussells, Schaukeln usw. hatten, auch wurde ihnen Freibier gegeben. Die Kadetten besichtigten unter Führung der Herren Zürn und Böhner die upmannsche Zigarrenfabrik und den Dampfer "Kronprinzessin Cecilie" der H.A.L.

Havanna - Cuxhaven - Hamburg

Am Donnerstag den 14. Februar, dem festgesetzten Abfahrtstage, nachmittags 3:35 Uhr verließ das Schulschiff mit Lotsenbegleitung und Schlepperhilfe den Hafen von Havanna. Der Tiefgang betrug: vorn 15,8 , hinten 17,5 Fuß.
Am Morgen hatte bei sehr flauem Südwind Nebel über dem Hafen und der See gelegen, der sich im Laufe des Vormittags verzog, nach mehreren Stunden gänzlicher Windstille kam gegen 1:00 Uhr nachmittags statt des erwarteten zum Aussegeln günstigen ONO Windes, wie er in den vorhergehenden Tagen zum Teil recht frisch geweht hatte, NW-licher Wind, zunehmend bis 4 auf, der recht in die Hafeneinfahrt hineinstand und die Annahme eines Schlepper notwendig machte, der das Schiff noch bis 2 sm außerhalb Morco Castle schleppen musste, ehe es unter Segel gehen konnte.
Beim Verlassen des Hafens wurde das Schulschiff von dem amerikanischen Kriegsschiff "Dixie" mit drei Hurras begrüßt, die erwidert wurden.
Um 4:30 Uhr wurden sämtliche Segel gesetzt und der Schlepper los geworfen; das Schiff lag mit StB Halsen auf WNW Kurs allmählich frei von der Küste. Der Wind ging weiter in See auf Nord 4. Abends 10:00 Uhr wurde auf StB Bug gewendet und mit O z N-Kurs in 10 bis 12 sm Abstand parallel der Küste gesegelt. Die kleinen Segel wurden für die Nacht geborgen. Im ersten Teil der Reise galt es natürlich, die Floridastraße mit bester Ausnutzung des Golfstromes möglichst schnell zu durchsegeln. Für den dann einzuschlagenden Weg waren neben den deutschen und englischen Segelanweisungen und einer von der amerikanischen Hydrographics Office in Washington auf Wunsch erhaltenen ausgearbeiteten Route die Erfahrungen früherer Jahre mit dem Schulschiff maßgebend und das Streben sollte darauf gerichtet werden, möglichst bald nach Verlassen der Florida Straße östliche Kurse zu steuern, jedenfalls nicht über 33 Grad nördlicher Breite zu gehen, ehe die Bermuda - Inseln nördlich oder südlich passiert waren, um den in dieser Jahreszeit in höheren Breiten an der amerikanischen Küste und in den bis etwa 40 Grad W sich östlich davon befindlichen Meeresgebieten wehenden schweren West- bis Nordstürmen mit gefährlichen Böen und hoher schwerer See zu entgehen, die dem Schulschiff selbst und seinem Zweck keinen Nutzen bringen konnten. Geltender Gesichtspunkt: die Ausbildung des Jahrganges zu fördern und zu Ende zu bringen, sollte mit der Sicherheit des Schiffes und der Erhaltung der Gesundheit der Besatzung ausschlaggebend für die weitere Wahl des Reiseweges sein, der sich den vorgefundenen Verhältnissen in dem Gebiete zwischen etwa 30 bis 33° später 35° Nord und 80 bis 65 dann 40° West anpassen würde; nach Schneiden des 40. Grades westlicher Länge in etwa 35 bis 40 Grad Nord sollte der Kurs auf dem kürzesten Wege nach dem Kanal genommen werden.
Am 15. vormittags wurde mit frischem zeitweise steifem N-lichen Winde mit 8 sm Fahrt Ost abgesegelt, bis um 11:30 Uhr vor der Salt Lay Bank gewendet werden musste, und dann über BB Bug mit NW-lichen Kursen nach den Florida im Westen vorgelagerten Inseln hinübergelegen, deren Feuer - American Shoal - 11:25 Uhr abends in Sicht kam; um 12:00 Uhr wurde mit flauer gewordenem Winde auf StB Bug gewendet. Die kleinen Segel - Oberbramsegel und Außenklüver - blieben fest, die Bramsegel wurden kurze Zeit geborgen.
In den Vormittagsstunden am 16. holte der Wind allmählich auf Ost und gab damit die erwünschte Gelegenheit in der Achse des Golfstromes unter allen Segeln Kurs zu steuern, doch wurde es gegen Mittag so flau, und am Nachmittage so unbeständig, dass nur geringe Fahrt durch das Wasser gemacht wurde; um 11:00 Uhr abends drehte es aufrichtend durch Süd und Südwest auf NW 4. abends 8:00 Uhr stand das Schiff r/w S 7° O 10 sm von Carysfort Feuer ab. Mit NW 4 bis 5 Wind wurde am Sonntag den 17. Februar in NNO Kurs gesteuert, bis um 1:00 Uhr nachmittags am Rande der kleinen Bahama Bank gewendet werden musste und mit WSW Kurs nach der Küste von Florida gelegen wurde, an der um 7:00 Uhr abends gewendet wurde. Die Feuer der Küste waren bei stark häsiger Luft nicht zu sehen und es musste durch eine Lotung der Zeitpunkt des Wendens bestimmt werden. Der Wind frischte 11:00 Uhr abends auf NNW drehend auf bis 6, die Bramsegel wurden geborgen.
Am 18. morgens 1:00 Uhr wurde auf BB Bug, um 3:50 auf StB Bug gehalst und es konnte jetzt über diesem Bug mit NW Kurs aus der Florida Straße herausgesegelt werden. Der NW Wind flaute allmählich ab bis 1 und von 6:00 bis 10:00 Uhr abends trieb das Schiff in Windstille; dann kam SSO Wind in Stärke 2 durch, der im Laufe des nächsten Tages zunahm bis 7 und die Gelegenheit gab, sogleich nach Verlassen der Floridastraße den Kurs auf die Bermuda Inseln zu nehmen; die vorgefundene Wetterlage begünstigte aufs Beste die vorher schon beabsichtigte Wahl des Reisewegs und ließ auf ihre glatte Durchführung schließen. Der Golfstrom mit seiner starken Drift wurde zwar damit aufgegeben, aber wirklich durch die Abkürzung des Weges und durch die beständig günstigen Winde der nächsten Tage ersetzt. Das Barometer fing am 19. nachmittags an stetig zu fallen und ließ auf ein heranziehendes Minimum schließen, nachmittags wurden die Oberbramsegel, abends die Bramsegel geborgen; das Schiff lief mit 9 bis 12 sm stündlicher Fahrt und rollte in der aufkommenden groben See leicht.
Am 20. vormittags wurde mit durchschnittlich 11 Seemeilen Fahrt Kurs gesteuert, der Wind drehte auf sechs abflauend auf Süd; das Bramsegel war mit Tagwerden gesetzt worden, wurde aber 1:00 Uhr nachmittags wieder wegen zunehmenden Windes geborgen. 2:30 Uhr wurden die Obermarssegel und das Grossegel geborgen, weil jetzt die Gewissheit gewonnen war, dass es nicht gelungen war vor dem Zentrum des Zyklons, in dessen Gebiet sich das Schiff befand, vorüber zu laufen. Um 3:10 Uhr wurden beide Wachen zum Manöver ausgepfiffen und Fock, Vor- und Kreuzuntermarssegel gegeit, gleich nach Ausführung dieses Manövers fegte ein Gewitter in Orkanstärke aus SO über das Schiff weg, das 20 Minuten anhaltend einen wahren Tropenregen entlud und das Schiff 25 Grad überlegte. Nach Vorüberziehen der Böe trat eine kurze Zeit Windstille ein, dann setzte der Wind von Süd in Stärke 9 ein, sprang in einer Böe auf WSW, drehte gegen sieben abends zurück auf SSW, mit steigendem Barometer abflauend bis 6. Die gegeite Fock und Untermarssegel waren sogleich nach der schweren Böe wieder gesetzt und um 8:00 Uhr abends standen auch wieder Obermarssegel und Grossegel bei.
Am 21. morgens sprang der Wind in einer Böe auf WNW und wehte aus dieser Richtung mit zwischen 4 und 6 wechselnder Stärke bis zum 22. abends. Das Schiff verfolgte mit diesen günstigen Winden beständig seinen geraden Kurs auf die Bermudas Inseln, fast immer alle Segel führend, die hier und da grobe See und Dünung ließen es zwar fortgesetzt leicht rollen und stampfen, doch hinderten diese Bewegungen weder das gute Vorwärtskommen noch den Dienst, der planmäßig durchgeführt wurde.
Am 22. vormittags wurden die Oberbramraaen und ihr sämtliches Gut an Deck genommen und verstaut, um mit der Annäherung an die Sturmgebiete des Nordatlantik die Strengen etwas zu entlasten.
Am 22. abends drehte der Wind mit hohem Barometerstand -771,5 - auf NNW und wehte aus dieser Richtung ab und zu auf N drehend steif in Böen zeitweilig mit Sturmstärke bis zum 24. abends. In der Nacht zum 23. wurde die Länge der Bermudas Inseln - 65 Grad West - in etwa 33 Grad N nach achttägiger Reise von Havanna aus geschnitten.
Am 23. nachmittags wurden die Bramsegel geborgen, am 24. morgens die Obermarssegel gerefft und später festgemacht. Die See lief am 24. hoch auf und brachte das Schiff, das trotz der geringen Segelführung 8 - 10 Seemeilen stündlich lief, zum schweren Rollen, ohne dass aber ein einziger Spritzer das Deck erreichte.

Das Barometer erreichte am 24. abends mit 773,2 seinen höchsten Stand, den es annähernd bis zum 25. mittags beibehielt. Der Wind drehte auf N und NNO und flaute am Vormittage des 25. ab bis zur Windstille. Am Nachmittage setzte mit fallendem Barometer SW Wind ein, der in der Nacht zunahm bis 8 und am 26. nachmittags seine größte Stärke 10 erreichte. Am Vormittag wurden Bram- und Obermarssegel geborgen. Das Schiff kreuzte in der sehr hohen See vortrefflich unter kleiner Segelführung - Fock und Untermarssegel - und rollte selten mehr als 20 bis 25 Grad; gegen 3:00 Uhr nachmittags schoss der Wind in einer schweren Böe auf WNW, in der jetzt mehr von Backbord einkommenden See fing das Schiff an schwer zu rollen und nahm mehrere Seen über, sodass die Schiffsniedergänge geschlossen werden mussten. Gegen Abend flaute der Wind ab bis 7, Vor- und Grossobermarssegel wurden gesetzt und der das Schiff segelte auf ONO - Kurs stetig mit 10 Seemeilen.
Am 27. morgens wurden sämtliche Segel gesetzt und die Niedergänge konnten wieder geöffnet werden. Es stand zwar noch eine grobe See und hohe WNW-liche Dünung, in der das Schiff leicht rollte und stampfte, doch nahm das Schiff keinen Tropfen Wasser mehr über. Der WNW Wind 7 flaute durch NW 5 auf NNW drehend ab bis 2, um 4:00 Uhr nachmittags drehte er durch W zurück auf SSW zunehmend bis 5.
Am 28. wurden unter allen Segeln mit SW 5, am Nachmittage mit westlichen Winden 5 bis 6, die starke Regenschauer aufbrachten, bei mäßig bewegter See und nordwestlicher Dünung gute Fortschritte auf Ostnordost-Kurs erzielt. 6:30 Uhr abends sprang der Wind in einer heftigen Regenböe 8 bis 9 auf Nord, Bramsegel und Obermarssegel mussten schleunigst geborgen werden, doch wehte es um 10:00 Uhr mit Stärke 6 stetig aus NNW, sodass Vor- und Obermarssegel, am nächsten Morgen Kreuzobermarssegel und Bramensegel wieder gesetzt werden konnten.

Nachwort

Hier endet der handschriftlich aufgezeichnete Reisebericht des Segelschulschiff- Kapitäns Richard Dressler. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Rest der Reise mit der seit langem geübten Routine auf dieser Passage und der im Bericht dokumentierten Umsicht abgewickelt werden konnte.
Selbstverständlich tun sich viele Fragen auf aus der Lektüre der Aufzeichnungen. Für ein Schiff dieser Bedeutung ist ein Loggbuch vorgeschrieben und maßgebend für alle (Rechts-)fälle. Welches Motiv bestand, einen weit über ein Loggbuch hinausgehenden Bericht zu entwerfen (ein offizielles Schreiben liegt nicht vor)? Hier kann nur vermutet werden, dass die Maßstäbe, nach der eine solche jährlich stattfindende Reise ablief, neu definiert werden sollten; nichts kann riskanter sein, als das Denken und Planen in eingeschliffenen Bahnen, hier seitens des Auftraggebers in Form des Schulschiff-Vereins in der fernen Heimat. Der zentrale Beweggrund für die Aufzeichnungen dürfte jedoch der erzielte Erfolg sein, der mit Storys gewürzt hier abgebildet ist. Wer war nun der Verfasser des Reiseberichtes und wie kam er zu dem beschriebenen Posten eines Schulschiff-Kapitäns. Hierzu sei aus dem von meinem Vater Christoph Dressler, Sohn des Kapitäns, zusammengefassten Lebenslauf zitiert:

Mein Vater wurde in Treuenbritzen, Brandenburg, geboren und am 11. Febr. 1872 getauft; sein Vater, damals Feldwebel, wurde später nach Wittenberg, Lutherstadt versetzt; bis 1889 wurde das humanistische Gymnasium besucht. Die Jugend verbrachte er (der spätere Kapitän) an der Seite von zwei Brüdern in der Kleinstadt, die von der Elbe geprägt war. Nach dem Tod des Vaters und in Anbetracht der damit verbundenen wirtschaftlichen Einschränkungen verließ er das Elternhaus nach der Oberprima und fuhr elbe-abwärts auf einem Frachtkahn nach Hamburg, um von dort aus zur See zu gehen. Um sich die seemännischen Ausrüstungen anschaffen zu können, arbeitete er zunächst als Hafenarbeiter. Etwa Ende 1889 heuerte er als Schiffjunge auf einem Hamburger Segelschiff an. Die folgenden Jahre führten ihn in fast alle Teile der Welt. Er wechselte des öfteren sein Schiff, wie es damals üblich war. So fuhr er auch auf norwegischen, englischen und amerikanischen Seglern.
Im Juni 1896 legte er an der Seefahrtschule in Hamburg die Prüfung zum Steuermann ab und fuhr nach Ableistung seiner einjährigen Militärdienstpflicht bis zum Frühjahr 1899 als Steuermann auf Segelschiffen.

Die Jahre von 1889 bis 1899 vom Schiffsjungen zum Steuermann bildeten den erlebnisreichsten Lebensabschnitt für ihn, sie waren aber auch mit den härtesten Strapazen und Gefahren verbunden. Das Leben auf einem Segelschiff war in der damaligen Zeit äußerst entbehrungsreich ((Reisedauer ca. fünf Monate, Verpflegung aus Salz-Fleisch, Hartbrot und Dörr- bzw. Salzgemüsen, Trinkwasser von sehr ungenügender Qualität, Unterkunft auf äußerst beengtem Raum mit Matrosen aus aller Herren Länder, Rassen und Milieu). Die Kapitäne und Steuerleute vor allem der deutschen Schiffe, auf denen er fuhr, wussten jeweils, dass er sich eben diese Berufe zum Ziel gesetzt hatte. Er erhielt jedoch keine besondere Behandlung, abgesehen von gelegentlichen Unterweisungen in der Handhabung des Sextanten und der Errechnung der Ortsbestimmung.
Unter Aufwendung von äußerster Energie verfolgte er sein Berufsziel und besuchte die Steuermannschule in Hamburg. Hierbei wurden ihm von keiner Seite materielle oder sonstige Unterstützung zuteil. Das heißt, alle Aufwendungen waren aus der Heuer eingespart. Aus seiner Fahrenszeit als Matrose berichtet er, dass er in diesen Jahren dreimal den Untergang seines Schiffes erlebte, besser überlebte! und dass er nur mit großer Mühe sein Leben retten konnte. Der letzte Untergang galt als Unikum, da bei völliger Windstille der Hamburger Segler auf der Rückreise von Chile mit Salpeter beladen an einem Morgen nur noch eine Handbreit über der Wasserlinie lag, da ein verstecktes Leck das Schiff zum Sinken brachte. Diese Notlage wurde bei Tagesanbruch entdeckt, wobei nur wenige Minuten zur Rettung mit den Booten gegeben war. Der Standort befand sich mehrere 100 Seemeilen von der südamerikanischen Küste entfernt. Nach dreitägigem Kampf ohne Proviant und Wasser wurden die Boote von einem Frachter aufgenommen und die Besatzung an Land gebracht.
Die weiteren Stationen seiner Laufbahn lassen sich wie folgt beschreiben: 1899 Einsatz als zweiter Offizier auf dem Dampfer "Borkum" auf der Route St. Thomas - Orinoko, wobei der Unterlauf des Orinoko bis zu den großen Städten im Inland schiffbar war . Im März 1900 kehrte er nach Hamburg zurück und erwarb im Juli das Kapitäns- patent, genannt: die Befugnis, deutsche Kauffahrteischiffe jeder Größe auf allen Meeren zu führen. Anstatt nun mit diesem Patent in den Dienst der Hamburg Amerika Linie, kurz H.A.L. oder HAPAG genannt, zurückzukehren, konnte er der Verlockung eines besonderen Abenteuers nicht widerstehen. Er bewarb sich zur Teilnahme an einer privaten Expedition ins nördliche Eismeer als alleiniger Offizier. Seine Tagebuchaufzeichnungen über dieses Unternehmen füllen 85 Seiten. Nach seiner Rückkehr aus Spitzbergen (Polarnacht) im September 1901 verbrachte er einige Monate in Hamburg.
Im Mai 1902 trat er erneut in den Dienst der HAPAG und zwar auf ihrem damals besten und schnellsten Passagierdampfer "Blücher" zunächst als zweiter, später als erster Offizier. Seine rasche Beförderung lässt erkennen, dass er den Ruf eines tüchtigen und befähigten Seemanns und Offiziers bei seiner Reederei in kurzer Zeit erwerben konnte. Ihrer Eigenschaft als Schnelldampfer entsprechend war die "Blücher" auf der Route Hamburg - New York eingesetzt. Eine Überfahrt dauerte sechs bis acht Tage. Hier sei noch erwähnt, dass er auf einem der Landgänge in New York, die sich in Form von Familienbesuchen gestalteten, seine spätere Frau kennen lernte.
In April 1904 begann eine zweite Segelschiffzeit für ihn. Sie dauerte beinahe 14 Jahre. Der deutsche Schulschiff-Verein in Bremen suchte zu dieser Zeit einen geeigneten ersten Offizier für sein Schulschiff "Großherzogin Elisabeth" und bat die HAPAG um Hilfe. Die Wahl fiel auf ihn. Da ihn die Aufgabe und die Aussicht, in absehbarer Zeit die Führung des Schiffes zu übernehmen, reizte, sagte er mit Freuden zu.
Segelschulschiff 'Großherzogin Elisabeth'
	im Heimathafen ElsflethDer deutsche Schulschiff - Verein war eine Gründung deutscher Reedereien. Sein Zweck war die Ausbildung des Nachwuchses von Kapitänen, Offizieren und anderem seemännischen Personal für die deutschen Handelsschiffe. Als beste Ausbildung sah man die auf einem Segelschiff genossene an. Der Verein besaß zunächst nur ein solches, die schon erwähnte "Großherzogin Elisabeth". Im Jahre 1910 kam dann die "Prinzessin Eitel Friedrich" und 1914 die "Großherzog Friedrich August" hinzu. Mein Vater bekam jeweils das jüngste dieser Schiffe als Kapitän. Bei den beiden letzten führte er auch die Bauaufsicht. Die Namensgebung erklärt sich daraus, dass der Großherzog von Oldenburg der Protektor des Vereins war und der Heimathafen der Schiffe direkt an der Weser in Oldenburg lag. Die drei Schulschiffe waren in ihrer Bauart fast gleich, ca. 75 Meter lang und ca. 13 Meter breit und waren mit ca. 1500 bis 1600 BRT vermessen. Die beiden älteren Schiffe besaßen keine Hilfsmotoren, waren also ausschließlich auf ihre Segel angewiesen. Sie waren als Vollschiffe getakelt. Das heißt alle drei Masten trugen Raaen. Die "Großherzog Friedrich August" hatte einen Hilfsmotor und war als Bark getakelt. Die Stärke der Besatzung betrug bei der "Großherzogin Elisabeth" ca. 200, bei der "Prinzessin Eitel Friedrich" ca. 235 und bei der "Großherzog Friedrich August" ca. 250 Köpfe, davon jeweils ca. 30 bis 35 Köpfe Stammpersonal einschließlich Offiziere, der Rest waren Kadetten, Leichtmatrosen und Schiffjungen in der Ausbildung. Im Mai jeden Jahres traten die Schiffe die Sommerreise in die Nord- und Ostsee an und liefen verschiedene Häfen in den anliegenden Ländern an, im Sommer vor allem Plätze an der deutschen Ostseeküste. Im September erfolgte dann die Rückkehr nach Bremerhaven oder Elsfleth, um die Winterreisen vorzubereiten. Ziel dieser Reisen waren die mittelamerikanischen Inseln, deren Gewässer sich klimatisch und verkehrsmäßig am besten für die Ausbildung eigneten, wenn in Nordeuropa die Winterstürme tobten.
Das war also der Rahmen, in dem sich das Berufsleben des Schulschiff-Kapitäns vom Mai 1904 bis zum Kriegsausbruch im August 1914 abspielte. Nachdem er 1905 Kapitän der "Großherzogin Elisabeth" geworden war, konnte er innerhalb dieses Rahmens die Reiserouten und anzulaufenden Häfen weitgehend selbstständig bestimmen. Im Heck des Schiffes bewohnte er mehrere, sich über die ganze Breite des Schiffes erstreckende Räume, einen sogenannten Salon, der gleichzeitig als Essraum diente, einen Schlafraum mit fest eingebauter Koje, ein Badezimmer, eine kleine Anrichte und eine Gästekammer.
Der Salon war mit Mahagoni getäfelt und auch sonst mit einer gewissen Repräsentation eingerichtet. Außerdem war unmittelbar über diesen Räumen im Deckhaus noch ein ca. drei Quadratmeter großer Raum für ihn vorhanden, indem er sich aufhalten konnte, wenn es darauf ankam, in Sekunden das Kommando an Deck zu übernehmen.
Aus dem Gesagten geht schon hervor, dass sich die Stellung des Schulschiff-Kapitäns in verschiedener Hinsicht von der eines Kapitäns eines Handelsschiffs unterschied, dass sie eigentlich eher der eines Kommandanten eines Kriegsschiffes angenähert war. Wie ein solcher nahm er gewöhnlich allein in seinem Salon seine Mahlzeiten ein. Ein Besatzungsmitglied war zu seiner ständigen Bedienung und Aufwartung abgeteilt. Vor der Tür stand tagsüber ein Läufer, der alle zwei Stunden abgelöst wurde. Er ersetzte sozusagen das Bordtelefon und war zugleich eine Art Wachposten. Wie aus einem mir noch vorliegenden Befehlsbuch hervorgeht, hatte, wenn sich das Schiff in See befand, der wachhabende Offizier nachts um 24, um 3 und um 6 Uhr meinem Vater durch einen Matrosen oder Kadetten Meldung über Positionen, Wetter und irgendwelche Vorkommnisse zu machen.
Das Jahrzehnt von 1904 bis 1914 bildete den Höhepunkt im Leben des Schulschiff-Kapitäns. Auf einem Segelschiff zur See zu fahren, war für ihn das Ideal seines Berufes. Die seglerischen Eigenschaften der Schulschiffe waren ausgezeichnet und ließen sich mit den guten Besatzungen auch voll zur Geltung bringen. Unter seinen Berufskollegen stand er in hohem Ansehen. Dem Schulschiff- Verein gehörten als fördernde Mitglieder außer einer Reihe bedeutender Reeder und Industrieller auch verschiedene Fürstlichkeiten an, die aus zahlreichen Anlässen an Bord kamen und sich bei dem Schulschiff-Kapitän in der seemännischen Umgebung wohl fühlten, zumal diese ihnen doch sonst wenig vertraut war. Hieraus erwuchs ihm die Verleihung des einen oder anderen Ordens.
Im Ausland genossen die Schulschiffe einen halboffiziellen Status, das heißt sie waren auch hier eher den Kriegsschiffen als den sonstigen Handelsschiffen gleichgestellt. Das äußerte sich zum Beispiel in offiziellen Besuchen bei den jeweiligen Spitzen der Behörden und deren Gegenbesuchen und einem entsprechenden Verkehr mit den diplomatischen Vertretern des Deutschen Reiches. Ebenso herrschte ein Besucherzeremoniell, wenn deutsche oder englische Kriegsschiffe gleichzeitig mit dem Schulschiff im ausländischen Hafen lagen. Der Kreis ausländischer Bekannter, der hieraus erwuchs, war deshalb recht groß und führte oft zu einem intensiven Gedankenaustausch.
Mit Ausbruch des Krieges im August 1914 begann eine wesentliche Umstellung in seiner seemännischen Laufbahn. Die drei Schulschiffe befanden sich zu der Zeit in der Ostsee. Ein großer Teil des Stammpersonals und der Offiziere wurde sofort zur Marine eingezogen. Die noch in Ausbildung befindlichen Schiffsjungen und Matrosen waren nicht kriegsdienstfähig, sondern wurden weiter ausgebildet. In dieser Lage wurde ein Schiff außer Dienst gestellt. Wegen der Gefahren, die von russischen Kriegsschiffen oder englischen U-Booten drohten, erhielten die beiden Schiffe einen Liegeplatz in der Kieler Förde. Im Laufe der Zeit wurden die beiden Schulschiffe dem Marinekommando in Kiel unterstellt.

Die Ausbildung des seemännischen Nachwuchses erfolgte nunmehr jedoch auf vor Anker liegenden Schiffen. Das letzte Weihnachtsfest an Bord wurde im Jahre 1917 gefeiert, wo sein Sohn Christoph teilnehmen durfte, was bei ihm einen sehr tiefen Eindruck hinterlassen hat. Im Januar 1918 wurde der Schulschiff-Kapitän in die Leitung des Schulschiff-Vereins nach Bremen berufen. Mit dem Verlust des Krieges war nun seine berufliche Zukunft ebenso wie vieler anderer Kapitäne und Seeleute in Frage gestellt Mit der Zeit wurde die Notwendigkeit, wieder in geordnete berufliche Verhältnisse zu kommen, dringlicher. Hamburg und Bremen boten dazu wenig Aussichten, da hier die Schifffahrt nach Ablieferung der Handelsflotte fast ganz zum Erliegen gekommen war. Dagegen entwickelte sich in den Ostseehäfen schon bald nach Friedensschluss wieder ein lebhafter Schiffsverkehr. Die Verschiffung von Kohle und Erzen war lebensnotwendig geblieben. Er wandte sich daher an die Reederei Kunstmann in Stettin, zu der er schon vom Schulschiff-Verein Beziehungen hatte. Nach geringer Zeit als Prokurist bei dieser Reederei wechselte er 1922 zur Stettiner Dampfer Company und stand der technischen und personellen Abwicklung des Linienverkehrs auch dieser Reederei auf der Ostsee vor. Mit der Umstellung der Währung begann eine intensive Investitionstätigkeit in neue Schiffe, die wieder zu häufigen Auslandsreisen Anlass gaben. 1924 wurde er von der Reederei nach Hamburg versetzt, wo diese ein Tochterunternehmen, die deutschen Orientlinien, gegründet hatte. Bis zum Jahre 1930 war seine Tätigkeit für diese Reederei gekennzeichnet auch durch seine Tätigkeit als Gutachter von gebrauchten Seeschiffen und im privaten Bereich durch die Ausübung seines Lieblingssports auf einer Segelyacht.
Im Jahre 1930 machte sich bemerkbar, dass er während seiner Jahre als Seemann, Offizier und Kapitän unter berufsbedingt ungesunden Lebensverhältnissen gelitten hatte; er erkrankte an einem für damalige Verhältnisse unheilbaren Herzleiden. Am 28. August 1931 kam der Tod als Erlösung im Alter von 59 Jahren. Er teilte somit das Schicksal vieler anderer Hochsee-Segelschiffkapitäne, die nach heutigen Begriffen eine kurze Lebenserwartung hatten.

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